Forschungsprojekt Predictive Asset Management (PAM) – Abschluss und Ausblick für Verteilnetzbetreiber
[Leipzig, 24. Juni 2024] Die Optimierung des Asset-Managements und die damit einhergehende optimale Bewirtschaftung des Netzes wird eine immer wichtigere Aufgabe der Verteilnetzbetreiber werden. Die Altersstruktur der Betriebsmittel ist hoch, weshalb eine optimale und kosteneffiziente Strategiefindung zur Instandhaltung und Erneuerung zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dank der Digitalisierung, insbesondere durch KI, sollen Verteilnetzbetreiber beim Betrieb ihrer Netze eine höhere Versorgungszuverlässigkeit sowie eine optimale Kosteneffizienz erzielen. Hierfür wurde das Forschungsprojekt Predictive Asset Management (PAM) initiiert. Das Projekt hat sich als Ziel gesetzt, die Entscheidungen im Asset-Management durch die Kenntnis über den Zustand des Anlagen-Kollektivs sowie über dessen Entwicklung und Einfluss auf Asset-Strategien mit Hilfe einer KI zu optimieren.
Am Forschungsprojekt nahmen die Energieforen Leipzig GmbH als Projektleiter, meliorate GmbH, Stadtwerke Troisdorf GmbH, Stromnetz Hamburg GmbH sowie die Bergische Universität Wuppertal teil. Gefördert wurde das Vorhaben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in dem Zeitraum vom 1.4.2021 bis zum 31.3.2024.
Vorgehen
Im Asset Management nach ISO 55000 werden für eine risikoorientierte Strategie die Auswirkungen von Ereignissen auf die Unternehmenswerte betrachtet. Wie im klassischen Asset-Management, stellt in PAM eine objektive und realitätsgerechte Zustandsbewertung die Basis aller optimierten und wirtschaftlich effizienten Strategien dar. Die reine Betrachtung eines allgemeinen Zustandsindex einer Ortsnetzstation (ONS) reicht hierfür nicht aus, da die Verbindung zwischen Zustand und dem Eintritt relevanter Ereignisse im Lebenszyklus bisher fehlt. Grundlage für die ereignisbezogenen Zustandsindizes ist eine vereinheitliche Inspektionscheckliste für ONS. Aus dieser wurden den jeweiligen Ereignissen relevante Inspektionspunkte zugeordnet. Bei den betrachteten Ereignissen handelt es sich um Ausfall der ONS, mechanisches Versagen von MS-Schalteinrichtungen, Ölaustritt am Transformator, SF6-Gasaustritt an der MS-Schaltanlage sowie Gefährdung von Mitarbeitenden bei Instandhaltungs-Maßnahmen. Diese fünf Ereignisse wurden mit Expertinnen und Experten der im Projekt teilnehmenden Verteilnetzbetreiber als relevant für die Asset Management Strategien von ONS bestimmt.
In PAM wurden somit erstmalig ereignisbezogene Zustandsindizes entwickelt, um darauf aufbauend die Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen datenbasiert abzuleiten. Diese wurde aus den Störstatistiken der Verteilnetzbetreiber ermittelt. Der Eintritt von Ereignissen wurde wiederum über die Wertebasis der Verteilnetzbetreiber in Euros quantifiziert. Die Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert mit der Bewertung des Ereignisses ergibt den Risikoerwartungswert. Demgegenüber stehen Kosten für Handlungsoptionen wie die Wartung, Erneuerung etc.
Die Aufgabe der KI war es für jede Anlage die richtige Entscheidung zu treffen: die ONS zu warten/inspizieren/erneuern oder diese Kosten zu sparen und stattdessen einen steigenden Risikoerwartungswert in Kauf zu nehmen.
Ergebnisse
In den letzten Projektmonaten wurde eine KI trainiert, um Entscheidungen für Ortsnetzstationen zu treffen und diese dann an einem realen Netz eines Netzbetreibers anzuwenden. Es ergeben sich die angeführten Strategien für einen Simulationszeitraum von 60 Jahren:
In Pink dargestellt sind die Investitionsvolumina (Erneuerungen) und spiegelbildlich in Grün die positiven Auswirkungen auf die Erlösobergrenze, die sich hieraus ergeben. Auffällig ist, dass die KI (im Vergleich zum bisherigen Vorgehen des Verteilnetzbetreibers) stark investiert, was sich in einer steigenden Auswirkung auf die Erlösobergrenze widerspiegelt.
Gelb visualisiert die operativen Kosten, welche vor allem aus Wartungen/Inspektionen bestehen. Es ist direkt erkennbar, dass die KI nur ungern auf die Wartung zurückgreift, weil deren Auswirkung auf die Minimierung der Risiken/Ereignisse rund um die Ortsnetzstation nur sehr moderat ausfällt. Anders ausgedrückt, die Wartung ist viel teurer als der potenzielle Schaden, welcher mit der Maßnahme gemindert werden kann.
Dieser potenzielle Schaden, hier definiert als Risikoerwartungswert, ist in blau dargestellt. Es ist auffällig, dass die Risiken, die ein Verteilnetzbetreiber eingeht, recht gering sind. Dies ist jedoch nicht überraschend, denn die Störungsstatistiken der Verteilnetzbetreiber haben gezeigt, dass es wenige Vorfälle rund um die Ortsnetzstation gibt.
In den Brauntönen sind verschiedene Strafterme dargestellt, um die KI auszusteuern. So wird die KI bestraft, falls eine Ortsnetzstation im guten Stand und mit geringem Alter erneuert wird. Die KI hat somit in Vorgängerversionen Ortsnetzstationen schon nach 30 Jahren erneuert, sobald diese aus der Verzinsung herausgefallen sind. In Zeiten, wo Nachhaltigkeit immer stärker in den Vordergrund rückt, ist eine solche Strategie eher unpassend, wenn auch mathematisch nachvollziehbar. Ein weiterer Strafterm für die KI entsteht, wenn zu viele Erneuerungen/Wartungen pro Jahr durchgeführt werden. Damit sollen die beschränkten Ressourcen eines Netzbetreibers abgebildet werden.
Folgende Zusammenfassung ergibt sich:
- Entscheidungen im Asset-Management durch Kenntnisse des Zustands des Anlagen-Kollektivs mit Hilfe von KI-Methoden zu unterstützen ist grundsätzlich möglich. Zu Beginn wurde grundsätzlich hinterfragt, ob der Einsatz von KI im Asset-Management eines Verteilnetzbetreibers überhaupt möglich ist. Dies wurde mit dem PAM Forschungsprojekt bewiesen.
- Eine Abbildung der Entwicklung und Einfluss auf Asset-Strategien in Abhängigkeit des Zustands ist komplex. Es gibt enorm viele Einflussfaktoren und die Datengrundlage der deutschen Verteilnetzbetreiber hat noch Verbesserungspotenzial.
- Die erwarteten Risiken für Ortsnetzstationen sind erwartungsgemäß gering. Dieses Bauchgefühl haben viele Asset-Manager und dieses wird auch durch die Störstatistiken unterstützt. In puncto Störstatistik und Störungserfassung gibt es noch Verbesserungspotential bei deutschen Verteilnetzbetreibern.
- Die positive Wirkung von Wartungen in Bezug auf Ereignisse ist gering. Dies spiegelt sich darin wider, dass die KI die Wartungszyklen extrem stark streckt. Noch sind deutsche Verteilnetzbetreiber hier vorsichtig, auch aufgrund von Vorgaben in der DGUV 3. Aber auch hier wird eine Begutachtung der elektrischen Anlagen alle 4 Jahre gefordert. Es ist jedoch möglich, mit einer guten Begründung davon abzuweichen. Das PAM-Projekt bietet eine erste Grundlage für eine entsprechende Rechtfertigung.
- Die Asset-Strategie wird maßgeblich durch den Effekt von Abschreibungsdauer auf die Regulierung und die Netzentgelte beeinflusst. Auch dies ist wenig überraschend. Jedoch wird es interessant zu beobachten welche weiteren Änderungen die Anreizregulierung noch erleben wird.
Abschluss und Ausblick
Die bisherigen Ergebnisse des aktuellen Forschungsprojektes werden im Folgeprojekt PAM advanced weiter verbessert und auf alle Betriebsmittel im Netz erweitert, um einen ganzheitlichen Lösungsansatz zu erhalten. Diese Themen und alle anderen Herausforderungen aus dem Asset Management werden im Arbeitskreis „Strategisches Asset Management“ wieder am 12./13. Dezember in Leipzig besprochen.
Weitere Informationen erhalten Sie unter www.energieforen.de
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