Forderungsmanagement in Zeiten der Corona-Krise

Wie wirkt sich die Corona-Krise auf Ihr Forderungsmanagement aus? Planen Sie Änderungen am Mahnlauf oder haben Sie neue Möglichkeiten identifiziert? Gemeinsam mit der Lowell Group haben wir die Auswirkungen des im März 2020 von der Bundesregierung verabschiedeten Zahlungsmoratoriums auf Energieversorger untersucht.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Finanzen und Controlling
Themen:
Insolvenzrecht Kundenservice
Forderungsmanagement in Zeiten der Corona-Krise

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie im März 2020 in Deutschland führte zu zahlreichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens. Darunter zählten auch konkrete Berufsverbote für diverse Branchen wie das Hotelgewerbe oder die Gastronomie. Um den mit den Berufsverboten einhergehenden finanziellen Verlusten der Unternehmen sowie der Arbeitnehmer entgegenzuwirken, verabschiedete die Bundesregierung, neben zahlreichen Hilfspaketen, am 25. März 2020 das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafrechtsverfahren. Das weitläufig auch als Zahlungsmoratorium bekannte Gesetz gewährt Kunden von Energielieferverträgen das Recht, Zahlungen für ihre Strom- beziehungsweise Gasabnahme bis zum 30. Juni 2020 auszusetzen, insofern die Zahlungsschwierigkeiten auf die Folgen der Pandemie zurückzuführen sind. Somit ist ein Anstieg des Forderungsbestandes beim Energieversorger zu befürchten. Des Weiteren setzt das Gesetz die Insolvenzantragspflicht vorübergehend aus und beschränkt die Möglichkeiten der Insolvenzanfechtung bis zum 30. September 2020. Besonders durch die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht erhöht sich das Risiko auf nicht zahlungsfähige Kunden im Portfolio des Energielieferanten und erhöht das Liquiditätsrisiko beim Versorger. Weitere Befürchtungen aufgrund der Krisensituation sind der vorübergehende Absatzrückgang aufgrund der Stilllegung von Industrie und Gewerbe sowie prozessuale und technische Schwierigkeiten aufgrund erhöhter Aufwände im Forderungsmanagement und Kundenservice.

Forderungsmanagement in Zeiten der Corona-Krise

Zur Evaluierung der Auswirkungen des Zahlungsmoratoriums auf die Versorger haben wir zahlreiche Branchengespräche geführt und gemeinsam mit der Lowell Group erste Lösungsansätze aufbereitet. Im Wesentlichen wurden fünf Fragestellungen erörtert:

  • Wie stark wirkt das Zahlungsmoratorium beim Versorger?
  • Führt das Moratorium zu Mehraufwänden im Forderungsmanagement?
  • Müssen die Mahnprozesse angepasst werden?
  • Wie sollte mit den Kunden kommuniziert werden?
  • Bietet die Krise auch Chancen?

Die Auswirkungen des Zahlungsmoratorium beim Energieversorger

Die Mehrheit der Befragten war Mitte Mai noch nicht in der Lage, das komplette Ausmaß des Zahlungsmoratoriums zu beurteilen. Jedes fünfte Unternehmen geht von leichten Nachteilen aus und lediglich ein befragtes Unternehmen beurteilt die Situation als stark geschäftsschädigend. Es wurden nur in sehr geringem Maße Einreden geltend gemacht. Die Spannbreite beträgt je nach Größe des Versorgers zwischen drei- und vierhundert Anfragen pro Monat. Der erwartete Ansturm der Kunden blieb aus, weshalb vor allem davon ausgegegangen wird, dass die Kunden in den meisten Fällen nicht von ihrem Recht wissen. Es ist anzunehmen, dass das Gesetz im allgemeinen Medienhall der Corona-Krise unterging.

Auch die Zahl der Stundungen hat sich seit der COVID-19-Pandemie nur unwesentlich erhöht. Mit den meisten Kunden wurden andere Lösungen wie beispielsweise Ratenzahlungs- oder Abschlagsänderungen vereinbart, um Stundungen zu vermeiden. Dies stellt aber ebenfalls nur ein vorübergehendes Bild dar, da sich die Zahl der in finanzielle Notlage geratenen Kunden im Verlauf der Krise noch erhöhen kann.

Die Frage nach dem erwarteten Forderungsausfall wird von den Experten sehr unterschiedlich beantwortet. So reichen die Antworten von keiner wesentlichen Erhöhung des Forderungssockels, über einen Anstieg des Sockels von 10 bis 20 Prozent pro Monat, bis zur erwarteten Verdreifachung der Forderungen. Selbiges gilt für die Zahl der erwarteten Ausbuchungen. Die große Schwankungsbreite lässt sich mit dem stark variierenden Kundenportfolio der Versorger erklären. Auch regionale und ökonomische Wohlstandsunterschiede im Versorgungsgebiet führen zu stark unterschiedlichem Aufkommen von säumigen Schuldnern.

Mehraufwände im Forderungsmanagement

Aufgrund der vermehrten Kundenanfragen sowie des Anstieges säumiger Kunden ist das Forderungsmanagement erhöhtem Aufwand ausgesetzt. Betrachtet man die Aufwände, so wird deutlich, dass der Höhepunkt noch bevorsteht. Während der ersten Phase von der Verabschiedung des Zahlungsmoratoriums bis zum voraussichtlichen Ende des Zahlungsaufschubes am 30. Juni 2020 laufen die Mahnprozesse wie gewohnt weiter. Allerdings werden aufgrund der Kontaktbeschränkungen und Hygienevorschriften derzeit keine Sperrungen oder Zählerstandsablesungen durchgeführt. Ebenfalls sind derzeit die Kundenservicecenter teils noch geschlossen, was aber durch digitale Kommunikationsmittel gut abgefangen wird. Mit Auslaufen des Zahlungsaufschubes am 30. Juni wird das tatsächliche Ausmaß der fälligen Forderungen sichtbar und diese müssen beigetrieben werden. Ebenso müssen die zuvor ausgesetzten Sperrungen und Zählerablesungen nachgeholt werden, was zu großen Mehraufwänden im Außendienst führen wird. Außerdem ist noch zusätzlich das Ende der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht am 30. September zu beobachten. Die zu erwartenden Folgen waren von den Experten aber zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht absehbar.

Aufwände im Forderungsmanagement im Zeitverlauf

Anpassungen des Mahnprozesses

Nur jedes vierte Unternehmen hat Änderungen am Mahnlauf vorgenommen. Dies spiegelt auch die Meinung der befragten Experten wider, laut derer es zu empfehlen ist, weiterhin Mahnungen zu verschicken, damit die Forderungen zum 1. Juli fällig und in Verzug sind und folglich beigetrieben werden können. Wegen der eingeschränkten Arbeitsmöglichkeiten der Außendienstmitarbeiter haben einige Unternehmen auf Mail- oder Telefoninkassomaßnahmen umgestellt und können von ersten Erfolgen berichten. Des Weiteren sollte es derzeit das oberste Ziel sein, Stundungen zu vermeiden. Im engen Austausch mit den Kunden sollten eher Abschlagsanpassungen, Ratenzahlungsvereinbarungen oder Zahlungszielverlängerungen getroffen werden.

Kommunikation mit den Kunden

In Bezug auf die Frage, in welcher Form man den Kontakt zum Kunden suchen sollte, empfehlen die Experten, eine Krisenkommunikation einzurichten. Dies beinhaltet eigene Pressemitteilungen oder Anzeigen in regionalen Medien. Um zukünftige Ausfälle so gering wie möglich zu halten, ist es zudem ratsam, den Kontakt zu besonders gefährdeten Kundengruppen aktiv zu suchen. Beispielhaft wurden hier Träger der Daseinsvorsorge und Sozialbürgerhäuser der Kommune genannt. Durch eine gezielte Kundenkommunikation können auch Reputationsverluste durch Mahnungen vermieden werden oder sogar Kundenbindungseffekte für die Zeit nach der Corona-Krise erzielt werden.

Chancen in der Krise

Neben den zahlreichen Herausforderungen bringt die Krise jedoch auch Chancen mit sich. So hat sich der Stellenwert des Forderungsmanagements in den Häusern erhöht und die Mitarbeiter erfahren größere Wertschätzung für ihren Aufgabenbereich. Ebenso haben sich die Arbeitsbedingungen teils positiv verändert und neue Möglichkeiten wie mobiles Arbeiten verschaffen zusätzliche Flexibilität. Auch erzwungene Prozessumstellungen wie beispielsweise der Fokus auf Telefoninkasso lassen Potential für die Zukunft erkennen. Außerdem bestehe in der Krise die Möglichkeit, sich als regionaler Versorger zu positionieren und die Kundenbindung zu verbessern. Im Hinblick auf das Kundenportfolio wird zu guter Letzt nochmals die Wichtigkeit der Zusammenarbeit von Vertrieb und Forderungsmanagement unterstrichen, um das Risiko säumiger Kunden auch nachhaltig gering zu halten.

Alle Ergebnisse unserer Experteninterviews und der Befragung unter 60 Versorgern sowie unsere ausformulierten Handlungsempfehlungen finden Sie in unserem kostenfreien Whitepaper „Herausforderungen im Forderungsmanagement in Zeiten der Corona-Krise“ kompakt zusammengefasst.