Energieversorger blicken auf die aktuelle Energiepreisentwicklung

Die derzeit angespannte Marktsituation und besonders die hohen Beschaffungspreise bereiten Energie- und Versorgungsunternehmen großes Kopfzerbrechen. Auf welche aktuellen und langfristigen Folgen müssen sie sich einstellen? Antworten darauf liefert eine Befragung der Energieforen in Zusammenarbeit mit rku.it.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Marketing und Vertrieb
Themen:
Marktentwicklung Energiemarkt Preisänderungen Versorgung
Energieversorger blicken auf die aktuelle Energiepreisentwicklung

Im Jahr 2021 haben sich die Stromhandelspreise im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdreifacht. Zurückzuführen ist das auf die höheren Grenzkosten der konventionellen Kraftwerke aufgrund der Preissteigerung von Steinkohle, CO2-Zertifikaten und Erdgas. Letzteres verteuerte sich vor allem angesichts der niedrigen Gasspeichermengen in Europa sowie der erhöhten Nachfrage in Ländern wie China und dem Rest Asiens.

In Zusammenarbeit mit rku.it möchten die Energieforen wissen, wie Energieversorger diese Entwicklung einschätzen und welche Herausforderungen sich daraus ergeben haben. Dafür wurde ein Fragenkatalog entwickelt und an die Entscheidungsträger verschiedener Energieversorger versendet. Für den Befragungszeitraum vom 1. Februar - 17. Februar 2022 konnten insgesamt 117 beantwortete Fragebögen, bestehend aus je 35 Fragestellungen, ausgewertet werden. Die Antworten brachten sehr spannende und teils unerwartete Erkenntnisse mit sich. Es gilt dabei zu beachten, dass der Beginn des Ukraine-Konflikts nach Beendigung der Befragung stattfand und daher nicht in die Betrachtung einbezogen wurde.

Im Folgenden wird auf die Ergebnisse dieser drei Themengebiete eingegangen:

  • aktuelle Neukunden- und Preisentwicklung bei Grundversorgungsunternehmen
  • Auswirkungen der aktuellen Marktsituation auf Energieversorgungsunternehmen
  • Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen

Aktuelle Neukunden- und Preisentwicklung bei Grundversorgungsunternehmen

Aufgrund von Bilanzkreiskündigungen, bzw. der direkten Insolvenz anderer Energieversorger, musste ein Drittel der Grundversorger im letzten halben Jahr vor der Umfrageerhebung zwischen 2,5% und 5% zusätzliche Strom- und Gas-Neukunden aufnehmen. Während 15% der befragten Strom-Grundversorger sogar einen Anstieg von über 5% an Neukunden nannten, waren es bei den Gas-Grundversorgern mit einem Viertel noch mehr. Diese Zuwächse fielen gerade bei großen Grundversorgern mit über 250.000 Kunden im Vergleich deutlich größer aus.

Dies führte aufgrund der aktuellen Marktlage und den spontan eingekauften Energiemengen zu größtenteils erhöhten Arbeitspreisen für Neukunden. So gaben drei Viertel der Strom-Grundversorger an, den Arbeitspreis für die Grund- und Ersatzversorgung im vorherigen Jahr angehoben zu haben. Bei den Gas-Grundversorgern waren dies nahezu alle der befragten Unternehmen. Bei rund 40% der Strom-Grundversorger hat sich der Arbeitspreis im Durchschnitt um bis zu 30% erhöht, circa ein Drittel gab Preiserhöhungen von 30%-100% an. Demgegenüber meldete die Hälfte der Gas-Grundversorger erhöhte Preise von bis zu 30%. Während sich hier der Anteil derjenigen, die einen Anstieg von 30%-100% feststellten, beinahe mit dem der Strom-Grundversorger deckte, gaben sogar fast 13% an, eine Steigerung von über 100% registriert zu haben.

Mehrere Personen sprechen über Verträge und Zahlen

Die Preiserhöhungen fielen vor allem deshalb so besonders hoch aus, da ein Großteil der Energieversorger die erhöhten Einkaufskosten nur an die Neukunden weitergegeben hat, indem neue Grundversorgungstarife eingeführt wurden. Sowohl bei Strom als auch Gas gab über die Hälfte der Unternehmen an, mehr als einen Tarif, teilweise sogar mehr als drei, eingeführt zu haben. Sie wollten damit insbesondere die langjährigen, treuen Kunden schützen und die Mehrkosten ausschließlich auf jene Neukunden verlagern, die vorher auf Discount-Anbieter gesetzt hatten.

Wie sich die Strom- und Gaspreise entwickeln werden, ist angesichts der aktuellen Geschehnisse schwieriger einzuschätzen denn je. Es zeigt sich auch unter den Befragten ein starkes Gefälle aus Teilnehmenden, die eine Preissenkung in 3-9 Monaten erwarten (37%) und denjenigen, die von mindestens einem Jahr ausgehen, bzw. gar keinen Rückgang erwarten (40%).

Auswirkungen der aktuellen Marktsituation auf Energieversorgungsunternehmen

Die meisten Energieversorger (85%) betreiben derzeit keine Neukundenakquise, da es sich wirtschaftlich nicht lohnt, neue Kunden in Sonderverträge aufzunehmen. Das zeigt sich deutlich anhand von Preisvergleichsportalen wie Verivox oder Check24, deren Vergleichslisten sich zuletzt stark ausgedünnt haben. Dennoch planen 71% der befragten Grundversorger zukünftig spezifische Maßnahmen für neue Kunden, um diese aus der Grundversorgung in Langzeitverträge zu überführen. Rund die Hälfte will sich dabei an den derzeitigen Marktpreisen orientieren.

Der Planungshorizont für die Energiebeschaffung lag bisher bei knapp über der Hälfte der befragten Unternehmen bei 3 Jahren und mehr. Rund ein Drittel der Unternehmen, deren Planungszeitraum für die Beschaffung weniger als 3 Jahre betrug, hat vor, diesen nun zu verlängern und somit krisensicherer zu gestalten.

Darüber hinaus hat die Hälfte aller befragten Energieversorgungsunternehmen eine Kommunikationsstrategie/-kampagne entwickelt oder bereits gestartet, um ihren Kunden die Gründe und Zusammenhänge der gestiegenen Energiepreise transparent zu vermitteln. Dabei ist jedoch ein deutlicher Unterscheid zwischen kleinen (bis 50.000 Kunden) und großen (ab 250.000) Energieversorgern zu erkennen: Während fast alle der großen EVU die Frage nach einer Kommunikationsstrategie bejahten, gab die Hälfte der Kleinen an, noch keine Kampagne entwickelt zu haben oder dafür keine Notwendigkeit zu sehen. Gründe für die geringe Relevanz bei den kleinen Energieversorgern könnten u.a. die knappen Personalressourcen sein, um das Thema zu bearbeiten.

Mehrere Personen analysieren Diagramme auf Blättern und einem iPad

Ausblick auf die zukünftigen Entwicklungen

Es ist noch nicht abzusehen, wann der Effekt der steigenden Energiebeschaffungspreise zum Erliegen kommt. Das bedeutet, dass die Arbeitspreise eher weiter steigen anstatt zu sinken. Damit erhöht sich auch die Gefahr, dass weitere Energieversorger in finanzielle Schieflage geraten und ihren Kunden kündigen müssen. Über 80% der befragten Unternehmen schätzen die Wahrscheinlichkeit dieses Szenarios als hoch bis sehr hoch ein. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass sich Grundversorger möglicherweise auf weitere Neukunden einstellen müssen und diesen langfristig noch höhere Arbeitspreise anbieten werden.

Ein weiteres Problem, dem Energieversorger gegenüberstehen könnten, sind vermehrt auftretende Zahlungsschwierigkeiten ihrer Kunden aufgrund der stark gestiegenen Preise. Über die Hälfte der Teilnehmenden gab die Wahrscheinlichkeit für diesen Fall als hoch bis sehr hoch an. Zukünftig werden sich die Unternehmen also damit befassen müssen, wie sie mit den möglichen Forderungsausfällen kurz- und mittelfristig umgehen.

Dass sich die Probleme, u.a. durch die beiden letztgenannten Punkte, bei Grundversorgern noch verstärken könnten, zeigt sich in der Befragung auch beim eigenen Finanzhaushalt der EVU. Mehr als ein Drittel der befragten Energieversorger schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass Grundversorger in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnten als hoch ein. Insofern man unter den Befragten nur auf die Grundversorger schaut, ist diese Zahl sogar noch leicht erhöht. Geht man abschließend davon aus, dass diese Finanzprobleme tatsächlich so eintreten, ist derzeit völlig unklar, welche weiteren Effekte dieses Szenario auslösen könnte.

Die in der Studie herausgefilterten Effekte und Voraussagen müssen nach dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts teilweise neu eingeordnet werden. Die neuen Entwicklungen haben zu einer weiteren Steigerung der Energiebeschaffungspreise und Abhängigkeiten geführt. Auch das Ende der Preisrallye rückt damit in weitere Ferne und lässt sich immer schwerer abschätzen. Es muss daher davon ausgegangen werden, dass Teile der in der Studie dargestellten Effekte und Herausforderungen aufgrund der verschärften Problematik aktuell noch größer ausfallen würden.

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