Wasserstoff – ein Allrounder auf dem Vormarsch

Wasserstoff ist eine attraktive Lösung für den klimaneutralen Wandel. Doch in welchen Sektoren ist sein Einsatz wirklich sinnvoll?

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Erzeugung und Infrastruktur
Themen:
Wasserstoff Trend Energiemarkt Klimaschutz
Wasserstoff – ein Allrounder auf dem Vormarsch

In der andauernden Debatte um die Ausgestaltung der Energiewende ist es Wasserstoff gelungen, sich als vielversprechende Lösung in der Diskussion zu etablieren. Wenig verwunderlich ist deshalb auch die Vielzahl an Wasserstoffstrategien, Forschungs- und Investitionsprojekten. Auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2050 erscheint grüner Wasserstoff als geeignet, den gordischen Knoten der Herausforderungen aus Energiewende und Klimawandel zu zerschlagen. Denn in vielen Bereichen wird Wasserstoff als attraktive Lösung für den klimaneutralen Wandel gesehen: Industrie, Verkehr, Wärme oder im Speicher- und Flexibilisierungssegment. Ob diese Erwartungen berechtigt sind, kann anhand folgender Fragestellung beurteilt werden: Werden erneuerbare Energien durch die Wasserstoffverwendung effizient genutzt?  

Energie aus erneuerbaren Quellen ist angesichts der bevorstehenden Herausforderungen auf dem Weg zur Klimaneutralität auf absehbare Zeit ein äußerst knappes Gut. Im Jahr 2019 konnten lediglich 15% des Primärenergiebedarfs Deutschlands aus erneuerbaren Energien gedeckt werden. Eine effiziente Nutzung grüner Energiequellen ist deswegen auf längere Zeit unabdingbar. Im Folgenden soll dabei nicht diskutiert werden, welche Rolle blauer Wasserstoff und der Import grünen Wasserstoffs bei der Ausweitung des Wasserstoffangebots spielen können. Beide Faktoren sind keine Wunderlösung, werfen wesentliche Problemstellungen auf und würden für eine angemessene Betrachtung einen eigenen Beitrag verdienen. Abkürzend wird im Folgenden deshalb von der begründeten Annahme ausgegangen, dass sie zwar das Wasserstoffangebot erweitern können, die Knappheit der benötigten grünen Energien jedoch auf absehbare Zeit bestehen bleiben wird. 

In welchen Sektoren ist der Einsatz von Wasserstoff sinnvoll?

Damit stellt sich die Frage, in welchen Sektoren Wasserstoff effektiv eingesetzt werden kann, um die Dekarbonisierung zu unterstützen. Relativ unstrittig ist, dass Wasserstoff für viele energieintensive Industriezweige zukünftig eine zentrale Rolle in den Klimastrategien einnehmen wird, so beispielsweise in der Stahl- und Chemieindustrie. In erstgenannter sind wesentliche industrielle Prozesse nicht oder nur schwer elektrifizierbar. In der Chemieindustrie wird aus Erdgas hergestellter Wasserstoff hauptsächlich für die Ammoniakproduktion verwendet und im Bereich der Petrochemie genutzt. Daraus resultierend ist er als Grundstoff von entscheidender Bedeutung. Beide Industriezweige gelten als sichere Anwendungsgebiete des grünen Wasserstoffs und können somit die Eckpfeiler für eine zukünftige Wasserstoffwirtschaft bilden. Damit sind die Standorte dieser Industrien gleichzeitig auch wichtige Ankerpunkte für die Entwicklung eines deutschen und europäischen Wasserstoffnetzes.

Wasserstoff-Tank

Unsicherer wird es, wenn man den Verkehr betrachtet. Gegenüber Elektromotoren hat die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle die Vorteile einer höheren Energiedichte, besseren Speicherfähigkeit und schnelleren Betankung, wodurch sie gute Chancen besitzt, sich im Fern-, Schwerlast- und öffentlichen Personenverkehr durchzusetzen. Allerdings besitzt die Elektromobilität gegenüber der Brennstoffzelle auf absehbare Zeit eine weitaus höhere Energieeffizienz, weshalb über den Einsatz von Wasserstoff im Individualverkehr noch diskutiert wird. Zum einen sind auf Kurzstrecken die Vorteile der Brennstoffzelle gegenüber der höheren Energieeffizienz von Elektromotoren tendenziell weniger relevant. Zum anderen ist das Einsparpotenzial von Treibhausgasen hier geringer als in anderen Verkehrsbereichen. Die Verwendung von Brennstoffzellen in Pkws hätte demnach eine deutlich geringere Priorität.

Ein ähnliches Problem findet sich im Wärmebereich, denn auch hier stellt sich die Effizienzfrage zwischen wasserstoffbetriebener Heizung und elektrischer Wärmepumpe. Erneut weist die Elektrifizierung deutliche Effizienzvorteile auf, womit sich wie beim Individualverkehr die Frage stellt, ob man für bedeutende Energiemengen ein langfristig weniger effizientes Verfahren nutzen sollte. 

Grüner Wasserstoff als Transformator der Energiewirtschaft

Eine wichtige Funktion kann Wasserstoff perspektivisch als saisonaler Speicher einnehmen. In einer CO2-neutralen Welt kann grüner Wasserstoff im Winter zu einem zentralen Energieträger werden. Aus diesem Grund werden bereits neueste Gasturbinen so konstruiert, dass sie mit 100% Wasserstoff betrieben werden können oder leicht umzurüsten sind. Als Speicher und Flexibilisierungsoption kann Wasserstoff außerdem Bestandteil einer dezentralen Energieversorgung werden und dazu beitragen, Redispatch-Kosten sowie Ausfallarbeit zu reduzieren. Smart Grids und ein fortgesetzter Netzausbau können die Bedeutung hier allerdings einschränken. Ebenso laufen derzeit auch Quartiersprojekte, in denen Wasserstoff durch seine Speicherfähigkeit und Vielseitigkeit eine zentrale Funktion einnimmt. Beispielsweise wird der im Quartier erzeugte grüne Überschussstrom durch Elektrolyse speicherbar und später z.B. durch Blockheizkraftwerke für die Wärmeversorgung genutzt.  

Beim Start in die Wasserstoffwirtschaft müssen Stadtwerke und EVU dabei nicht mehr bei null beginnen, sondern können auf bereits bestehende Erfahrungswerte zurückgreifen. Einige Wasserstoffprojekte bestehen schon seit mehreren Jahren und konnten durch den laufenden Betrieb wichtige Erkenntnisse gewinnen. Damit von diesen Erkenntnissen möglichst viele Stadtwerke profitieren können, haben die Energieforen den Fachkongress H2 Network ins Leben gerufen, als Plattform für Energieunternehmen, die Wasserstoff als Chance erkannt haben und sich praxisnah austauschen möchten. Denn auch das Thema Wasserstoff benötigt ein geeignetes Netzwerk aus Energieversorgern, Dienstleistungsunternehmen und Wissenschaftsinstitutionen, um sich optimal entwickeln zu können. Erst der Austausch zwischen engagierten und interessierten Personen schafft den erwünschten Innovationsschub sowie den Raum für Kreativität. Auf der zweitägigen Veranstaltung im September liegt deshalb der Fokus darauf, neben praxisnahen Impulsvorträgen und Workshop-Angeboten genau diesen Austausch herzustellen und zu entwickeln. Als größtes unabhängiges Netzwerk der Energiebranche laden wir Sie herzlich ein, Teil dieses neuen Formats zu werden und die Zukunft mitzugestalten.