Wasserstoff, Erdgas und Co. – Forschungsbedarf vs. Erfolgsaussichten

Bei der derzeit angespannten Marktsituation sieht sich eine Vielzahl an EVU mit diversen Problemstellungen konfrontiert. Welche Rolle nehmen wissenschaftliche Erkenntnisse als Lösungsansatz ein und wie stark wird der Forschungsbedarf von Versorgern eingeschätzt ?

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Erzeugung und Infrastruktur
Themen:
Forschung Wasserstoff Erneuerbare Energien Energieversorger Gas
Wasserstoff, Erdgas und Co. – Forschungsbedarf vs. Erfolgsaussichten

Im Rahmen einer im vergangenen Jahr durchgeführten Online-Befragung wurden insgesamt 31 Unternehmen durch die Energieforen hinsichtlich ihrer Wahrnehmung zum Thema Forschungsbedarf innerhalb der Energiebranche befragt. Im Nachgang wurden zusätzliche Interviews mit einzelnen Teilnehmenden geführt, um gewonnene Erkenntnisse näher zu beleuchten.

Anhand der Rückmeldungen wurde deutlich, dass die Energiebranche dem Thema Forschung eine hohe Bedeutung zuschreibt und der Beteiligung an Forschungsprojekten gegenüber positiv eingestellt ist. Zum Zeitpunkt der Umfrage beteiligten sich zwei Drittel der befragten Unternehmen an Forschungsprojekten. Diese Projekte befassten sich vorrangig mit technischen Themen, wie bspw. Messtechnik oder Digitalisierung. Doch welche Forschungsthemen sind für die Energiewirtschaft künftig interessant? Bei welchen Themen besteht hoher Forschungsbedarf?

Um diese Fragen beantworten zu können, wurde bei verschiedenen vorgegebenen Themen das Forschungspotenzial durch die Teilnehmenden der Befragung eingeschätzt. Im Folgenden wird der Forschungsbedarf zu den Themenbereichen Wasserstoff, Erdgas und erneuerbare Energien näher vorgestellt, da hier die eindeutigsten Erkenntnisse erhoben werden konnten.

Forschungsbedarf rund um den Bereich Wasserstoff

Obwohl Wasserstoff als Energieträger der Zukunft gilt, besteht seitens der Energiebranche noch immer Bedarf an weiterer Wasserstoff-Forschung. Wie in Abbildung 1 dargestellt, wird insbesondere bei dem Thema „Initiativen für die Umsetzung der nationalen Wasserstoffstrategie und Wasserstoff als neues Geschäftsfeld“ mehrheitlich ein erhöhtes Forschungspotenzial gesehen.

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Abb. 1: Einschätzung Forschungspotenzial rund um die Bereiche Wasserstoff und Erdgas

Durch das aktuelle Weltgeschehen wird das hohe Interesse an diesem Thema noch verstärkt. Die Befragung fand zu einem Zeitpunkt statt, als sich die Unternehmen mit den Auswirkungen des Angriffskrieges auf die Ukraine konfrontiert sahen. Gleichzeitig wurden verschiedene politische Maßnahmen umgesetzt, die darauf abzielen, die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Erdgas zu reduzieren und alternative Energieträger in den Fokus zu rücken. Hierbei spielt Wasserstoff eine entscheidende Rolle [1].

Anhand der durchgeführten Interviews konnte unter anderem festgestellt werden, dass einzelne Branchenvertretende die, von der Bundesregierung aufgestellte, Wasserstoffstrategie vorrangig als eine sehr technologische Strategie verstehen. Laut den Sachverständigen fokussiert sich diese Strategie auf die benötigte Technologie zur Produktion, Verteilung und Verbrauch. Für sie ist mehr Forschung hinsichtlich des Potenzials von Wasserstoff als alternativer Energieträger oder dessen Rolle als neues Geschäftsfeld notwendig, da diese Themen ihrer Meinung nach bisher außer Acht gelassen wurden.

Forschungsbedarf zum Themenkomplex Erdgas

Zum Vergleich wurde innerhalb der Online-Befragung auch das Forschungspotenzial von fossilen Energieträgern, wie etwa Erdgas, abgefragt. Unter dem Aspekt der CO2-Reduktion schätzt die Mehrheit der Befragten (52%) das Forschungspotenzial bei dem Thema „Ausbau der Erdgasinfrastruktur und deren Einfluss auf die CO2-Reduktion“ als gering bzw. nicht vorhanden ein (siehe Abbildung 1).

Für die Energieversorgung in Deutschland wird Erdgas schon seit Jahrzehnten genutzt, sodass es sich zu einem etablierten Geschäftsfeld für Energieversorgungsunternehmen entwickelte. Folglich ergeben sich seitens der Energiebranche weniger Forschungsfragen und der Bedarf an neuen Erkenntnissen ist gedeckt. Allerdings wurde bei Gesprächen mit dem Netzwerk der Energieforen deutlich, dass Forschungsbedarf hinsichtlich der Zukunft des Erdgases gesehen wird. Dieses Thema gewinnt ebenfalls durch die politischen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine stehen, an Brisanz.  

Forschungspotenziale rund um erneuerbare Energien

Auch der Ausbau erneuerbarer Energien wird durch das aktuelle Weltgeschehen vorangetrieben [2]. Mithilfe der Ergebnisse der Online-Befragung konnte festgestellt werden, dass seitens der Energiebranche viel Forschungspotenzial in diesem Themengebiet gesehen wird. 91% der Befragten schätzen das Thema „Ausbau und Nutzung erneuerbarer Energien sowie ihren Einfluss auf wirtschaftliches Wachstum“ mit eher mehr bzw. hohem Forschungspotenzial ein (siehe Abbildung 2).

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Abb. 2: Einschätzung Forschungspotenzial von Themen aus dem Bereich erneuerbare Energien

Anhand der Abbildung 2 lässt sich zusätzlich erkennen, dass ein ähnlich großes Interesse bei dem Thema „Lokale Flexibilitätsmärkte (Strommärkte) für die bessere Nutzung von Kapazitäten und als Lösung für die durch erneuerbare Energien erzeugten Ungleichgewichte und Überlastungen“ besteht.

Wie die durchgeführten Interviews zeigen, handelt es sich für Branchenvertretende hierbei um ein wenig diskutiertes Thema in Deutschland. Als Ursache wurde die strikte Trennung zwischen Lieferanten und Netzbetreibern sowie deren Rollenverständnis genannt. Für Fachleute sind Forschungsprojekte notwendig, die sich thematisch mit der lokalen Netzverbesserung bzw. tatsächlichen Netzunterstützung durch Flexibilitätsmärkte befassen. Ihrer Auffassung nach wäre eine Untersuchung hinsichtlich lokaler Flexibilitätsmärkte im europäischen Raum erforderlich, um perspektivisch geeignete Marktprozesse in Deutschland aufzustellen.

Welche Faktoren sind ausschlaggebend für die strategische Ausrichtung?

Zusammengefasst kann gesagt werden: Die Energiebranche ist sich der Bedeutung und Notwendigkeit von Forschung bewusst und beteiligt sich an zahlreichen Projekten. Zu verschiedenen Themengebieten wird unterschiedlicher Forschungsbedarf gesehen, wobei dieser von zwei wesentlichen Faktoren beeinflusst wird. Zum einen bewirkt das aktuelle Weltgeschehen und die damit verbundenen politischen sowie gesellschaftlichen Entwicklungen, welche Themen seitens der Energiebranche in den Fokus gerückt werden. Zum anderen entscheidet der Grad der Etablierung in die Unternehmensaktivitäten darüber, wie viel Forschungspotenzial in einzelnen Themen gesehen wird. Branchenvertretende melden einen höheren Forschungsbedarf, wenn neue Geschäftsfelder betroffen sind, als bei Themen bereits bestehender Geschäftsfelder. Zusätzlich konnte festgestellt werden, dass sich der Forschungsbedarf bei den untersuchten Themen gegenseitig beeinflusst. Die Untersuchung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da im Rahmen der Online-Befragung den Teilnehmenden Forschungsthemen vorgegeben wurden. Allerdings geben die Ergebnisse Impulse für zukünftige Forschungsprojekte und können auf der Website der Energieforen demnächst vollständig eingesehen werden.

 

Quellen:

[1] Pepe, J. M.: Der Ukraine-Krieg und seine Folgen: Deutschland muss seine Energietransformation neu austarieren, Stiftung Wissenschaft und Politik Deutsches Institut für internationale Politik und Sicherheit SWP-Publikation Kurz gesagt, 2022, https://www.swp-berlin.org/publikation/der-ukraine-krieg-und-seine-folgen-deutschland-muss-seine-energietransformation-neu-austarieren, (Stand: 08.02.2023)

[2] Bundesregierung: EEG 2023 – Ausbau erneuerbarer Energien massiv beschleunigen, 2022, https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/klimaschutz/novelle-eeg-gesetz-2023-2023972, (Stand: 08.02.2023)