Querverbund schafft Lebensqualität
Die Erkenntnis, dass verschiedene Generationen potenzieller Arbeitnehmer oder Kunden abweichende Erwartungen an Unternehmen stellen, beschäftigt Führungskräfte nachhaltig. Dabei spielt die Erfüllung von Bedürfnissen zur Maximierung des Wohlbefindens eine wesentliche Rolle.
Wie alle anderen Unternehmen, stehen auch Stadtwerke permanent vor der Herausforderung, Kunden sowie Mitarbeiter für sich zu begeistern und zu binden. Für beide Zielgruppen lässt sich festhalten, dass dies aufgrund gewachsener Ansprüche und veränderter Rahmenbedingungen in den vergangenen Jahren zunehmend schwieriger geworden ist.
Wenn Sie in den letzten 24 Monaten mit talentierten potenziellen Arbeitnehmern gesprochen haben oder diese mit ihren Recruiting-Abteilungen diskutieren, wird in den meisten Gesprächen durch die Bewerber nach dem tieferen Sinn des Unternehmens, dem Purpose oder einfach dem höheren Zweck, gefragt. Allzu häufig wird in Versorgungsunternehmen heute ähnlich darauf geantwortet, wie vor 30 Jahren: „Wir betreiben Daseinsvorsorge für die Bürger“.
Doch wie wirkt das auf die Mitarbeiter? Sind diese in Zeiten von Klimawandel und VUKA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität der Arbeitswelt) noch durch das Stichwort „Daseinsvorsorge“ zu begeistern?
Derzeit sehr erfolgreiche Organisationen und Führungskräfte können Ihren Mitarbeitenden, Kunden oder potentiellen Neukunden deren Purpose mit einem klaren, zukunftsgerichteten und höheren Sinn stiftenden Mehrwert erklären, der den Millenials ebenso dient wie älteren Generationen. Ob Menschen der Generation Y eine solche Begrifflichkeit wie „Daseinsvorsorge“ aus hoch regulierten Zeiten, ja Märkten mit monopolistischer Struktur, noch für sich persönlich oder gesellschaftlich mehrwertig halten, ist mindestens fragwürdig.
Produkte und deren Positionierung in Märkten befriedigen immer bestimmte Bedürfnisse. Diese können, nach Maslow [1], von physiologischen Bedürfnissen, wie Wärme bis hin zur Selbstverwirklichung oder ein autarkes Leben, reichen. Produkte mit dem gleichen faktischen Nutzen können unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen und weisen eine unterschiedliche Zahlungsbereitschaft bei Kunden auf. Verkauft die Versorgungswirtschaft mit ihren Commodity-Angeboten nun Produkte, die der Daseinsvorsorge dienen und ein Grundbedürfnis stillen, oder bedient sie Individualbedürfnisse, die gar zur Selbstverwirklichung dienen?
Neben dem zentralen Instrument der Kommunikation ist eine weitere Möglichkeit, seine Produkte in der Bedürfnispyramide weiter oben zu positionieren, die Bündelung von Leistungen, um den Nutzen und somit andere Bedürfnisse zu befriedigen. Für Querverbundsunternehmen liegt dieser Ansatz eigentlich in der DNA ihres Portfolios. Studien prognostizieren bereits seit vielen Jahren, dass die Vermarktung von Commodity-Produkten künftig nur in Produktbündeln erfolgreich sein wird. Aktuelle Beispiele, die diese These stützen, sind z.B. Unternehmen, wie die GGEW oder Entega, bei denen die Bündelung von eigenen Produkten durch die Kunden sehr positiv aufgenommen wird. Besonders deutlich zeigt sich dies in der Kombination der eigenen Kernleistungen, wie Energie und Telekommunikation und den damit verbundenen kommunikativen Potenzialen.
Weit darüber hinaus gehen die Möglichkeiten, wenn die Unternehmen über Freizeitangebote und multimodale Mobilität nachdenken. Viele Versorgungsunternehmen sind auf diesen Feldern aktiv, nutzen das Potenzial bislang aber nur bedingt.
Zentraler Schlüssel zur Erschließung der Potenziale, ist die Nutzung der neu gewonnenen Kundendaten in Verbindung mit dem Kerngeschäft und einer neuen Kommunikation. In den letzten 12 Monaten haben wir gesehen, dass Versorgungsunternehmen ihren Kunden digitale Angebote zur Verfügung stellen mussten, um unter den Pandemieauflagen weiterhin ihre Freizeitangebote anbieten zu können.
Resultate, die z.B. bei der DIPKO GmbH* beobachtet wurden, sind, dass sich binnen weniger Wochen tausende Kunden und Nichtkunden auf die Webseiten und Portale kommunaler Versorger begeben haben, um dort Eintrittskarten zu erwerben, Produkte zu kaufen oder Reservierungen durchzuführen. Beim Abgleich der Kundendaten mit den Bestandsinformationen des Energiegeschäfts wurden unmittelbar folgende Aspekte deutlich:
1. Die zigfache Anzahl an Kunden hat sich, im Vergleich zum klassischen Self-Service, registriert!
2. Je nach Größe der Unternehmen, kamen hunderte bzw. tausende potenzielle Neukunden hinzu, die für weitere Sparten verfügbar sind und eindeutig identifiziert werden konnten.
3. Über Bestandskunden wurden ganz neue Informationen gewonnen, da eindeutig identifiziert werden konnte, wer andere Leistungen aus dem Produktportfolio nutzt.
4. Digitale Services wurden sowohl von jüngeren als auch von älteren Menschen genutzt.
5. Die Zugriffe auf die eigene Homepage haben sich vervielfacht, da der Zugang in die Ticketing-Portale über diesen Weg erfolgte.
Mit diesen Erkenntnissen, dass sich Interaktion, Frequenz und digitale Angebote auszahlen, ergeben sich für die Unternehmen eine Reihe von neuen Perspektiven, um aus dem Querverbund heraus das eigene Geschäft zu stärken. Dazu zählen u.a.:
- Echte Digitalangebote haben unter den Kunden viele neue „Fans“ gefunden, die weiter ausgebaut werden können.
- Die Potenziale von Self-Service-Portalen zur Effizienzsteigerung können tatsächlich erreicht werden, wenn Services, wie Ticketing, integriert werden.
- Gezielte Kundenbindung mittels eigener Leistungen kann einfach ausgebaut werden und der Kunde bedürfnisorientiert angesprochen werden.
- Neukundenansprache kann über das neue Vertriebsinstrument Ticketing erfolgen.
- Angebote auf der Homepage und die dahinterliegende Produktstrategie sollten überdacht werden – Tarifrechner stiften keinen Kundennutzen.
Neben diesen ganz konkreten Potenzialen, die kurzfristig genutzt werden können, ergibt sich mittelfristig eine weitere Chance. Die anachronistisch anmutende „Daseinsvorsorge“ kann mittels einer veränderten Produkt- und Kommunikationsstrategie in einen zukunftsfähigen Purpose für Kunden und Mitarbeiter transformiert werden. Bedürfnisorientierte Energielösungen, individualisierte Mobilitätsangebote, emotionale Freizeiterlebnisse und darüber hinaus eine bedürfnisorientierte Kommunikation ermöglichen dem Versorger in Zukunft „Lebensqualität“ zu bieten. Diese reicht vom konkret erlebbaren Freizeitangebot, über einen Beitrag zur Gesundheit mit hochwertigem Trinkwasser bis hin zur Realisierung von Klimaschutz im Quartier, der Gemeinde oder der Region.
Anbieter, die sich durch eine hohe Lebensqualität auszeichnen, werden in der Lage sein, höhere Preise zu erzielen und neben ihren Kunden auch ihre eigenen Mitarbeiter zu begeistern und zu binden.
*Die DIPKO GmbH wurde Anfang 2020 von den drei Gesellschaftern Energieforen Leipzig, msg systems AG und dem Ideengeber Mirco Pinske gegründet. In dem gleichnamigen Produkt, der „Digitalen Plattform für kommunale Services“, bündeln sie ihr fachliches Prozess- und Industrie-Know-how, weitreichendes technisches Wissen sowie langjährige Erfahrung auf dem Energie- und Versorgungsmarkt. Seitdem begleiten sie Städte, Gemeinden und kommunale Unternehmen der Energie- und Versorgungswirtschaft bei der Digitalisierung ihres Produktportfolios.
Weitere Informationen dazu erhalten Sie unter: https://www.dipko.de
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[1] Vgl. Maslow, A. H. (1954). Motivation und Persönlichkeit. New York: Harper and Row Publishers.