"Emils Welt" - Wie wachsen zukünftige Generationen auf?

Ranga Yogeshwar, Wissenschaftsjournalist und Autor, spricht mit uns über den digitalen Wandel, neue Entwicklungspotenziale und das Buzzword Work-Life-Balance.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie und Innovation
Themen:
Digitalisierung Innovationsmanagement Unternehmensorganisation
"Emils Welt" - Wie wachsen zukünftige Generationen auf?

Ranga Yogeshwar wurde 1959 in Luxemburg geboren. Nach dem Abitur studierte er Experimentelle Elementarteilchenphysik und Astrophysik und arbeitete am Schweizer Institut für Nuklearforschung (SIN), am CERN in Genf und am Forschungszentrum Jülich. Er begann seine journalistische Laufbahn 1983, zunächst bei verschiedenen Verlagen, dann im Bereich Hörfunk und Fernsehen. Seit 2008 arbeitet Ranga Yogeshwar als unabhängiger Journalist und Autor. Er zählt zu den führenden Wissenschaftsjournalisten Deutschlands und entwickelte und moderierte zahlreiche TV-Sendungen u.a. „Kopfball“(ARD), „Quarks & Co“(WDR) und „Die große Show der Naturwunder“ (ARD). Yogeshwar erhielt über 60 Fachpreise und wurde vielfach ausgezeichnet.

Wir haben Ranga Yogeshwar virtuell zum Interview getroffen und ihm drei Fragen rund um das Thema Digitalisierung gestellt.

Das vergangene Jahr hat die Digitalisierung vorangetrieben, wie kein anderes zuvor. Wo sehen Sie die Chancen dieser Entwicklung und welche Bereiche können davon besonders profitieren?

Diese Fragestellung beinhaltet zwei Aspekte: Zunächst mag der ein oder andere vielleicht denken, dass sich allen voran besonders das Homeoffice durch die Corona-Pandemie etabliert hat – online in Summe überhaupt viele Dinge z.B. das Einkaufsverhalten u.v.m. Ich greife diesen Gedanken oftmals selbst in meinen Vorträgen auf, indem ich den Teilnehmern folgende Fragen stelle: „Wird diese digitale Veränderung wieder zurückgefahren werden, haben wir nach Corona also ein business as usual? Wird es wenige Veränderungen geben oder handelt es sich im Grunde um eine Entwicklung, die letztlich durch Corona beschleunigt wurde, aber im Kern ohnehin stattfindet?“ Die große Mehrheit bestätigt, dass diese Entwicklung anhalten wird und es kein Zurück gibt. Vor diesem Hintergrund muss man sehen, dass wir jetzt einen Sprung gemacht haben, aber im Grunde das Potenzial der Digitalisierung in ganz vielen, auch persönlichen Bereichen, im Moment sehr viel intensiver leben. Dazu zählen Bereiche der Arbeit, der Bildung etc. diese Kette können wir fortsetzen.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Gefahren und Nachteile, die der digitale Wandel mit sich bringt?

Bei jedem Wandel in unserer Geschichte und im Kontext aller Innovationen, gab es immer wieder neue Konventionen, die es zu etablieren galt. Ich möchte ein konkretes Beispiel anführen: Wir haben durch das Homeoffice eine völlige Veränderung der Struktur von Arbeitsverhältnissen. Nur bei diesem Beispiel allein gibt es eine ganze Reihe von Konventionen. Es fängt bereits mit der Frage an, wie sich ein Unternehmen organisiert, wenn ein großer Teil der Mitarbeiter gar nicht mehr vor Ort ist. Wie schafft man Zusammenhalt unter diesen Umständen? Wir haben ebenso eine Reihe an Vorteilen, wenn es um den Faktor Flexibilität geht. Ich denke beispielsweise an das enorme Potenzial dieser neuen Arbeitsmöglichkeiten für junge Familien, weil […] sich Arbeitnehmer nunmehr flexibel aufteilen können. Dort wird die Work-Life-Balance zunehmend besser gestaltet. Ich denke aber gleichermaßen auch darüber nach, dass wir nie zuvor eine derartige Penetration des Arbeitsbereichs in die Privatsphäre hinein hatten. Die Trennung von Arbeit und Privatem fängt an, sich an einigen Stellen aufzulösen. An diesem Punkt muss man sich überlegen, ob man möglicherweise doch feste Grenzen benötigt. Die Gefahr ist real, dass jeder Mitarbeiter ständig in seinen Privaträumen auch für den Job erreichbar ist, auch an Wochenenden usw. Bis hin zu einfachen Fragestellungen rund um die Themen Arbeitsschutz, Versicherungen oder dem geeigneten Bürostuhl. Wer als Arbeitgeber in Deutschland einen Bürostuhl kauft, muss darauf achten, dass dieser bestimmte Anforderungen erfüllt […] und plötzlich sitzen die Leute zu Hause auf dem Küchenstuhl. Überall muss eine ganze Reihe von Konventionen neu überdacht und reflektiert werden. Es gilt darüber nachzudenken, wo der Ist-Zustand vereinbar ist oder es kritische Punkte gibt. Das ist ein völlig natürlicher Prozess, der auch in vielen anderen Innovationsprozessen so ablief.

25 Jahre lang haben Sie die Sendung „Quarks“ im WDR moderiert. Wie haben das Aufkommen des Internets und das Voranschreiten der Digitalisierung Ihre Arbeit während dieser Zeit beeinflusst?

Mit Stolz sage ich, dass wir die allererste Sendung waren, die überhaupt online war. Ich habe damals sogar die Kennungen „wdr.org“ und „wdr.com“ zusammen mit einem Kollegen gekauft, denn es gab zu diesem Zeitpunkt noch keine Länderkennung. Ich habe sehr früh dieses Potenzial gesehen – „Quarks“ war damit früher, als alle anderen online. Was man daran erkennt ist, dass wir eine fulminante Zeit des Umbruchs leben und erleben. Die Grammatik der Medien wird durch die sozialen Netzwerke und ihre neue Art der Kommunikation […] völlig verändert. Plötzlich ist jeder Bürger gleichermaßen Sender und Empfänger. Auch hierbei geht es darum, dass dieser Umstand großartige Vorteile hat, aber dass man genauso darüber nachdenken muss, wie man Zusammenhalt in der Gesellschaft schafft, wie bestimmte Entwicklungen stabil gehalten werden können oder wie sich die Glaubwürdigkeit entwickeln wird. Stichwort: Fake News. Da existieren ebenfalls Herausforderungen, die gerade im Kontext z.B. eines politischen Wahljahres, wie wir es zurzeit in Deutschland erleben, nicht unerheblich sind. Das haben wir zuvor in den USA gesehen, wo durch diese neue Kommunikationsgrammatik eine ungeheure Polarisierung zwischen den Parteien aufkam, die noch nie so groß war, wie heute. Darüber hinaus gilt es die Herausforderungen im Kontext der Digitalisierung mit Blick auf die zunehmende Rolle der künstlichen Intelligenz (kurz: KI) in den Bereichen Data Analytics, Steuerung, Assistenten, Spracherkennung usw. zu erkennen. Mein Vortrag trägt den Titel „Emils Welt“ (Anm. d. Red.: Vortrag auf dem Messekongress GO.DIGITAL der Energieforen am 9./10. November 2021) und man muss sich bewusst machen, dass diese neue Generation von Menschen aufwächst und völlig selbstverständlich mit einer Maschine spricht. Das ist nicht trivial. Man muss sich im Klaren sein, dass diese Entwicklungen in den nächsten Jahren noch enorm zunehmen werden. So ist es eine sehr spannende Zeit in der wir aktuell leben.

Die Energieforen freuen sich Ranga Yogeshwar als Speaker auf dem Messekongress GO.DIGITAL 2021 am 9./10. November 2021 begrüßen zu dürfen.
Mehr Informationen erhalten Sie unter 
GO.DIGITAL – Messekongress Digitalisierung (godigital-kongress.de)