Umbruch des Energiemarktes: Etablierte Unternehmen verpassen den Anschluss

Sascha Koppe, Chief Revenue Officer bei 1KOMMA5°, spricht mit uns über neue Player auf dem europäischen Energiemarkt und den Stellenwert von intelligenter, digitaler Vernetzung beim Lösen der Energiekrise.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie und Innovation
Themen:
Energiewende Digitalisierung Erneuerbare Energien Trend
 Umbruch des Energiemarktes: Etablierte Unternehmen verpassen den Anschluss

Sascha Koppe hat seine Karriere bei Tesla begonnen und war zuletzt bei der sonnen GmbH für das Europageschäft als General Manager und Prokurist verantwortlich. 2021 wurde er vom bekannten Wirtschaftsmagazin Forbes auf die renommierte Liste „30 under 30“ aufgenommen als eine der führenden Persönlichkeiten in der europäischen Clean-Tech-Industrie. Bei 1KOMMA5° ist er als CRO für den Rollout des Energiemanagementsystems Heartbeat sowie für den gesamten Vertrieb zuständig. 

💬 Hear me speak: Seine Erfahrungen wird Koppe am 7. November als Keynote-Speaker im Rahmen der GO.DIGITAL 2023 teilen. 

Energieforen: Bei 1KOMMA5° beschäftigen Sie in Ihrer Rolle als Chief Revenue Officer die zentralen Bedürfnisse im Endkundenbereich der Energiewirtschaft. Welche Veränderungen nehmen Sie dabei wahr und wie beurteilen Sie diese hinsichtlich der Chancen für innovative Akteure wie 1KOMMA5°?

Sascha Koppe: Zwei Entwicklungen sind hier entscheidend und führen dazu, dass wir in nur zwei Jahren bereits mehr als 80.000 Anlagen im Bestand haben. Zum einen ist es das übergeordnete Narrativ des Klimawandels – nicht umsonst haben wir uns die 1,5°- Mission zum Namen gemacht. In vielerlei Hinsicht wurde das Bewusstsein für eine dringend notwendige CO2-Reduktion innerhalb der Bevölkerung geschärft. Viele Menschen möchten sehr bewusst sowie aktiv einen Beitrag für die Umwelt leisten und distanzieren sich zunehmend von Herstellern fossiler Brennstoffe. Darüber hinaus zeigt sich ein Paradigmenwechsel mit Blick auf den heimischen Gesamtverbrauch sowie die eigenen Stromkosten. Die Erneuerbaren Energien sind die günstigste Art der Energieerzeugung. Vermehrt verstehen die Endkunden und -kundinnen, dass sie ihren Energiehaushalt dann optimieren, wenn sie ihn mit intelligenter Technologie vernetzen und steuern. Genau hier liegen die größten Chancen für „CleanTech“-Firmen wie uns, die eben beides verbinden: die lokale Umsetzung mit Meisterbetrieben, aber auch die Potenziale der Digitalisierung. Durch diese Kombination können wir Verbrauchenden zu jeder Zeit den günstigsten Strom aus Wind und Sonne garantieren. 

Energieforen: Stimmt genau, die Digitalisierung spielt als Megatrend eine immer größere Rolle im Energiemarkt. Wie kann intelligente und digitale Vernetzung dazu beitragen, die Herausforderungen im Zusammenhang mit der Umstellung auf Erneuerbare Energien und dezentrale Energieerzeugung zu bewältigen?

Sascha Koppe: Dazu müssen wir uns erst einmal die Chancen der Erneuerbaren Energien bewusst machen. Anders als bisher, folgt Konsum hier der Produktion und nicht mehr andersherum. Grundlegend haben wir es mit verschiedensten Wetterlagen zu tun, die sich zudem regional stark unterscheiden. Man spricht hier von der Volatilität.

Die Antwort ist, dass wir Generatoren wie Solar, Windparks und autarke Haushalte intelligent miteinander vernetzen, um so den Verbrauch und die Produktion auszusteuern. Unser Ziel besteht darin, das Energienetz zu balancieren und unsere 1KOMMA5°-Verbrauchenden glücklich zu machen, indem sie von diesen Schwankungen zusätzlich monetär profitieren. Das ist das Neuartige am Strommarkt: Anlagen, die mittels einem Energiemanagementsystem – bei uns dem Heartbeat – und Smart Meter vernetzt sind, werden automatisch so gesteuert, dass der Gesamtverbrauch in einem Haushalt erstens in sich optimiert und zweitens noch mit dem externen Strommarkt verbunden wird. Schwanken dort die Strompreise – beispielsweise nachts ins Negative – steuert Heartbeat die Energiespeicher, E-Auto-Batterie oder Wärmepumpe an – so kann sogar Geld mit dem eigenen Stromverbrauch verdient werden. Diese Angebote dynamischer Stromtarife sind für den deutschen Markt ein Paradigmenwechsel. 

Energieforen: Inwiefern haben Ihrer Meinung nach etablierte Versorgungsunternehmen Schwierigkeiten, sich an die neuen Gegebenheiten des Energiemarkt-Umbruchs anzupassen? Worin liegen die Gründe dafür?

Sascha Koppe: Zumeist profitieren die etablierten Player vom Status quo und wollen ihn auch in gewisser Weise erhalten. Das bietet wiederum neue Chancen für Anbieter wie uns, die mutiger einen neuen Weg einschlagen. Darüber hinaus kommen die meisten Traditionsunternehmen aus dem Hardware-Bereich. Software scheint für sie ein ganz neues Gebiet zu sein – hier fehlen Wissen und auch das entscheidende Talent auf dem umkämpften Markt. Beides konnten wir mittels unserer klaren, starken Mission gewinnen und aufbauen.

Energieforen: Weshalb sind Partnerschaften und Kooperationen mit anderen Branchen und Technologieunternehmen so entscheidend, um die Vision von 1KOMMA5° für einen vernetzten und nachhaltigen Energiemarkt zu realisieren?

Sascha Koppe: Unser Ziel ist es, in Zukunft jedes Jahr ca. 500.000 Häuser klimaneutral zu machen, damit wir diese Millionen Haushalte zu einem virtuellen Kraftwerk vernetzen. So entsteht eine autarke, dezentrale Energiequelle, die nicht mehr von Firmen wie Shell und Co. abhängig ist. Bei diesen Dimensionen wird schnell deutlich, dass unsere gemeinsame 1KOMMA5°-Vision nur gelingen kann, wenn offene Software-Systeme und herstellerübergreifende Produkte Teil unseres Weges sind. Das ist einer unserer Kernwerte, wenn wir unsere Partnerschaften auswählen. Am Ende muss es Kundinnen und Kunden egal sein können, ob er oder sie eine PV-Anlage von Anbieter A, eine Wallbox von Anbieter B und eine Waschmaschine von Anbieter C besitzt – alles muss über Schnittstellen miteinander kommunizieren können. Hinzu kommt noch die Politik mit ihren Gesetzen sowie insbesondere der Bildungssektor, welcher unbedingt aktiv werden muss, um bei jungen Menschen Umweltbewusstsein und nachhaltiges Denken zu kultivieren. Diesen Auftrag nehmen wir sehr ernst bei 1KOMMA5°.

Energieforen: Wie sehen Sie die zukünftigen Entwicklungen des europäischen Energiemarktes in den kommenden Jahren und welche drei Ziele müssen wir in der deutschen Energiebranche am schnellsten erreichen, um den Wandel noch mitgestalten zu können?

Sascha Koppe: Europa ist sehr breit aufgestellt, was den Fortschritt des Energiemarktes angeht. Als Vorbild können wir unsere skandinavischen Nachbarn sehen, die schon sehr früh in dezentrale Netze und Infrastrukturen investiert haben und somit die Grundsteine für 100% Erneuerbare Energien etabliert haben. Die Technologien, sowohl Hardware als auch Software, werden rasant in ihrer Effizienz und Leistung steigen und immer komplexere Ökosysteme bilden. Es werden diejenigen gewinnen, die alles aus einer Hand anbieten können: von PV- Anlagen, Speichern, Wallboxen über das Energiemanagementsystem und Smart Meter bis hin zum dynamischen Stromtarif. Jedoch mit einer neuen Art und Weise, kollaborativ ein Wertschöpfungsnetz aufzubauen, statt eine lineare Kette. Partnerschaften sind das Erfolgsrezept – auch bei 1KOMMA5°.

Auf Deutschland bezogen: Ganz kurzfristig muss unbedingt die Voraussetzung für intelligentes Energiemanagement und dynamische Tarife gelegt werden – das meint den Smart-Meter-Rollout in allen deutschen Haushalten. Mittelfristig und langfristig wünsche ich mir, dass wirklich alle Parteien, vor allem auch die Städte sowie die Politik mutiger und schneller in die Umsetzung kommen und nicht gegeneinander arbeiten. Wir müssen gemeinsam auf jedem Dach, das sich in Deutschland eignet, eine PV-Anlage installieren. Zusätzlich sollten Stromspeicher und Wärmepumpen in Kellern aufgestellt werden. Nur so schaffen wir die Unabhängigkeit von fossilen Energien, die uns regionale Arbeitsplätze und europäische Wertschöpfung sichert.

Wir freuen uns, Sascha Koppe als Speaker auf dem Messekongress GO.DIGITAL begrüßen zu dürfen. Mehr Informationen erhalten Sie unter GO.DIGITAL.