Change im EVU: Auch auf die Technik kommt es hier an
New-Work-Prozesse sowie Change-Projekte sind in aller Munde und werden fleißig vorangetrieben. Für viele ist dies eine willkommene und längst überfällige Entwicklung, aber profitieren auch Mitarbeitende in technischen Berufsfeldern von den Maßnahmen?
Es wirkt wie ein Traum: New Work ist in der Energiewirtschaft angekommen! Stadtwerke und Energieversorgungsunternehmen (kurz: EVU) wurden in den letzten zwei Jahren mit diesem „neuen“ Arbeiten konfrontiert. Die Modernisierung der Organisationen hat begonnen und es wurde ein Change-Projekt nach dem anderen, bzw. mehrere gleichzeitig, angestoßen. Die Büros sind mittlerweile alle schick, die Mitarbeitenden für den nächsten digitalen Langstreckenlauf mit Laptop sowie Headset ausgestattet und auf alle Home-Office-Muffel wartet kostenfreies Obst und Wasser in der Etagenküche. Dann können wir uns doch nun zurücklehnen und die Motivations-Früchte der Mitarbeitenden für unsere Bemühungen ernten. Oder haben wir noch etwas vergessen?
Sehen wir einmal davon ab, dass New Work viel mehr als die oben genannten Aspekte umfasst. Was Unternehmen wie Stadtwerke und EVU von den Unternehmen vieler anderer Branchen unterscheidet, ist die heterogene Zusammensetzung der Mitarbeitenden. Natürlich wird in den Häusern viel verwaltet, geplant, organisiert und gemanagt. Tätigkeiten, die sich in der Regel am besten vom Schreibtisch aus erledigen lassen. Doch über die Bürogrenzen hinaus existiert eine weitere Arbeitswelt. Eine Welt, der bisher kaum Beachtung geschenkt wurde, die jedoch essenziell für das Funktionieren und Wertschöpfen der Energieunternehmen ist. Die Rede ist von der Arbeitswelt der gewerblich-technischen Berufe. Sie umfasst all jene Mitarbeitenden, die den Großteil ihrer Arbeitszeit außerhalb der Bürogebäude verbringen. Denen ein Tischkicker im Kreativraum nur wenig Freude bzw. Nutzen bringt. Alle Mitarbeitenden, die mit Home-Office nicht viel anfangen können. Die selbstverständlich genauso Mensch wie alle anderen Kolleginnen und Kollegen sind und deshalb gehört werden wollen.
Dass diese Kolleginnen und Kollegen bisher seltener im Fokus von New-Work-Projekten standen, liegt nicht daran, dass sie weniger wert sind oder vergessen wurden, sondern Maßnahmen im kaufmännischen Bereich leichter umzusetzen sind. Nicht zuletzt, weil die Change-Verantwortlichen in der Regel in den Büros sitzen und eher mit den hiesigen Schmerzpunkten sowie Bedürfnissen der Mitarbeitenden vertraut sind.
Weshalb deutlich mehr Energie in technische Bereiche investiert werden sollte
Wir haben uns im Rahmen digitaler Austauschrunden und Workshop-Sessions zuletzt diesem Thema gewidmet und versucht, ein wenig Licht ins Dunkle zu bringen. Was sind bspw. Bedürfnisse und Herausforderungen der Mitarbeitenden im technischen Bereich? Diese beginnen häufig schon bei einfachen Unterschieden im Arbeitsverhalten: Während z. B. Schreibtischtäterinnen und -täter von einer flexiblen Arbeitszeiteinteilung reden, freuen sich Technikerinnen und Techniker über regelmäßige und gleichbleibende Arbeitszeiten. Wichtig ist diesen Mitarbeitenden aber auch, für ihre Arbeit und ihren Erfahrungsschatz wertgeschätzt zu werden und mit gewissen Freiheitsgraden arbeiten zu können. Die Arbeit wird hingegen zunehmend herausfordernd durch die Digitalisierung der Arbeitsmittel, steigende und sich schnell verändernde Anforderungen der Kundinnen und Kunden sowie die Unterschiede der Generationen (bspw. in der verwendeten Sprache oder den gelebten Werten). Diese Herausforderungen treten sicherlich auch im kaufmännischen Bereich auf, jedoch auf unterschiedlichen Ebenen.
Schwierig gestalten sich darüber hinaus Beteiligungen von technischen Mitarbeitenden an Veränderungsprojekten, die das gesamte Unternehmen betreffen. Da häufig auf freiwillige Beteiligung gesetzt wird, entsteht hier ein Ungleichgewicht der vertretenen Mitarbeitenden-Gruppen. Woran kann das liegen? Zum einen fehlt Technikerinnen und Technikern in einigen Fällen der Bezug zur Veränderung. Sie erkennen den Mehrwert, bzw. die Bedeutung dahinter nicht, weil diese nicht zielgruppengerecht kommuniziert wird. In den Büros und vor allem in Abteilungen, die den Change in der Regel treiben, sind gängige Begriffe flächendeckend bekannt. Technik-Fachleute begegnen Begriffen wie SCRUM und Kollaborationstool eher selten im Tagesgeschäft. Vielmehr haben Werte und Visionen auf mathematischer bzw. physikalischer Ebene eine Bedeutung.
Die richtige Wahl der Worte kann also schon einen entscheidenden Vorteil im Change-Projekt ausmachen und Verdrossenheit reduzieren. Auf der anderen Seite kann es nützlich sein, unterstützende Personen im Change-Team zu haben. Dies geht von Multiplikatoren direkt aus den technischen Abteilungen bis hin zu Dritten, die den Prozess der Veränderung moderieren und auch auf kommunikativer Ebene für das Projekt sensibilisieren.
Eins sollten wir im Kopf behalten: Beim Thema Neue Arbeitswelten oder Change im technischen Bereich gilt das Gleiche wie für die kaufmännischen Kolleginnen und Kollegen: Projekte, Lösungen und Maßnahmen nah am Menschen zu entwickeln.
Der Campus Arbeitswelten 2022
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