Psychologie to go: Vom Müssen zum Wollen

Wussten Sie, dass unser Gehirn eine emotionale Prioritätenliste hat? Je mehr Leidenschaft und Freude Sie für eine Sache empfinden, desto eher werden Sie an diese herangehen. Wie sich Beispiele aus unserem Alltag auch auf größere Herausforderungen der Energiewirtschaft übertragen lassen, schildern wir im Beitrag.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Unternehmensorganisation
Themen:
Strategie Energiewende Emotionalisierung
Psychologie to go: Vom Müssen zum Wollen

Wärme-, Energie-, Mobilitäts- und Klimawende – kaum eine Branche ist von der Parallelität dieser Herausforderungen stärker betroffen als EVU. Um diese zu bewältigen, braucht es nicht nur gute Strategien und Ziele, sondern vor allem den Willen zu konkreten Handlungen. Aus psychologischer Sicht steht dabei der Begriff der Handlungsmotivation im Vordergrund.

Der Themenkomplex der Motivationspsychologie ist riesig. Etliche Forschende und noch mehr Studien beschäftigen sich mit der Frage: Was bewegt Menschen zu einer Handlung? Um diesem komplexen Phänomen auf den Grund zu gehen und zugleich praktische Umsetzungsimpulse zu teilen, wird es dazu zwei Artikel geben. In dieser Ausgabe verschaffen wir uns zunächst ein psychologisches Grundverständnis von Motivation.

Ein spannender Ansatz führt uns wortwörtlich in unseren Kopf und damit in den Bereich der Biopsychologie. Die Frage lautet also: Wie verlaufen Ziel- und Motivationsprozesse in unserem Gehirn? Um sich dieser Frage zu widmen, müssen wir uns zunächst den Aufbau unseres Gehirns anschauen. Damit dies möglichst gut vorstellbar wird,  benötige ich Ihre Hilfe –  genauer gesagt Ihre Hand. Mit dieser bauen wir nun den Grobaufbau unseres Gehirns nach. Formen Sie Ihre Hand wie folgt: Legen Sie zunächst Ihren Daumen in die Innenfläche Ihrer Hand. Legen Sie anschließend Ihre Finger über Ihren Daumen, sodass eine Faust entsteht, welche Ihren Daumen umschließt. So haben wir unser Gehirn dargestellt. Doch wie soll diese eigenartige Faust unser Hirn repräsentieren?

Ganz einfach: Der Unterarm stellt unser Rückenmark dar, welches in unserem Hirnstamm (in unserem Faustmodel unsere Handwurzel) mündet. Diese ersten Strukturen unseres Gehirns sind auch gleichzeitig die ältesten. Man spricht hier auch vom Reptilienhirn. Hier sind alle überlebensnotwendigen Urinstinkte abgelegt. Wenn wir vor tausenden von Jahren bspw. einen Säbelzahntiger gesehen haben, hatten wir natürlich nicht die Zeit zu überlegen, ob dieser uns freundlich gesinnt ist – da galt es, die Beine in die Hand zu nehmen und zu rennen.

Für die Frage nach den Ziel- und Motivationsprozessen sind aber die beiden anderen Hirnbereiche interessant. Unser Daumen stellt in unserem Faustmodell unser limbisches System dar. Dies ist der zweitälteste Teil unseres Gehirns und der Sitz unserer Emotionen. Bedürfnisse, Sympathie und unsere Gefühle sind hier verortet. Für die Motivationsbetrachtung ist wichtig zu wissen, dass im limbischen System unser „Wollen“ zu finden ist. Also immer, wenn wir uns bspw. nach einem Stück Schokolade sehnen, findet dies hauptsächlich in unserem „Daumen“ statt.

Eine Rakete schießt symbolisch durch einen menschlichen Kopf

Der letzte und auch „jüngste“ Teil des Hirns wird durch unsere Finger dargestellt,  die über unserem Daumen liegen. Dabei handelt es sich um den sogenannten Neokortex – unser Logikhirn. Hier finden all unsere Planungs- und Abwägungsprozesse statt. Setzen wir uns also ein Ziel, welches wir unbedingt erreichen wollen, bspw. das eine oder andere Kilo zu verlieren, findet dieser Prozess im Logikhirn statt. Jetzt kennen Sie den Hirnaufbau. Doch wie hilft uns das jetzt bei der Frage nach unserer Motivation? Der Schlüssel liegt in den beiden Wörtern "Sollen" und "Wollen".

Das Beispiel des Abnehmens und der Schokolade macht es deutlich: Setze ich mir das Ziel (Prozess im Logikhirn) abzunehmen, habe aber immer wieder das Bedürfnis (Prozess im limbischen System) nach Schokolade, wollen unsere verschiedenen Hirnregionen unterschiedliche Dinge. Und genau in diesem Zwist unseres Gehirns liegt der Hund begraben. Denn es gibt noch einen elementaren Mechanismus in unserem Gehirn: Der Ältere (Gehirnteil) hat immer recht. Anhand des Beispiels mit dem Säbelzahntiger wird schnell klar, warum. Wie oben beschrieben, konnten wir nicht lange darüber nachdenken, ob uns der Säbelzahntiger sympathisch ist, geschweige denn, ob man mit ihm verhandeln könnte. Es war für unser Überleben wichtig, dass wir sofort reagieren. Ähnlich ist es mit dem ersten Eindruck von Personen, der ja nie durch rationale Überlegungen entsteht.

Wenn wir jetzt wissen, dass das „Wollen“ im älteren limbischen System und das „Sollen“ im jüngeren Neokortex verortet ist und auch wissen, dass der ältere Hirnteil immer Vorrang hat, wissen wir auch, warum eine strenge Diät häufig nicht von Erfolg gekrönt ist.

Zusammengefasst kann man sagen:

  • Wollen wir und sollten wir, ist die Zielerreichung keine so große Herausforderung.
  • Wollen wir nicht und sollten auch nicht, ist die Verführung gar kein Problem.
  • Wollen wir, sollten aber nicht, finden wir uns schneller als uns lieb ist am Kühlschrank wieder.

und

  • Wollen wir nicht, sollten aber, haben wir relativ schnell eine ungenutzte Fitnessstudiomitgliedschaft.

Mit diesem Wissen muss uns eines klar sein: Wenn wir nicht klimaneutral werden oder dem Fachkräftemangel mit kreativen Ideen begegnen wollen, schaffen wir es auch nicht – egal, wie oft wir uns dazu ermahnen.

Und welche Stellschrauben wir selbst in der Hand haben oder zumindest mit wenig Aufwand drehen können, um uns und/oder unser Team zu motivieren, schauen wir uns gemeinsam in der nächsten Ausgabe an.