Trends vorgestellt: Corporate Health

Das klassische betriebliche Gesundheitsmanagement bekommt ein Update: Mit dem Trend-Thema Corporate Health rückt ein individueller, ganzheitlicher Ansatz in den Vordergrund. Anhand von Best Practices wird deutlich, worauf Unternehmen besonders in Zeiten der Krisenüberlagerung achten sollten.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Unternehmensorganisation
Themen:
Unternehmenskultur Trend Unternehmensorganisation
Trends vorgestellt: Corporate Health

Was verbirgt sich hinter Corporate Health? 

Wer Corporate Health hört, denkt oft direkt an das klassische betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) oder den Arbeitsschutz. Doch der Trend geht weit über den jährlichen Gesundheitstag hinaus, welchen viele Unternehmen bereits intern ermöglichen. Er umfasst einen ganzheitlichen Blick auf die Gesundheit der Mitarbeitenden eines Unternehmens. Dazu gehören neben der korrekten Arbeitsplatzausstattung und betriebsärztlichen Untersuchungen auch die mentale Gesundheit der Angestellten, präventive Maßnahmen und die Unternehmenskultur.

Im Fokus von Corporate Health steht außerdem das Eingehen auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden. Statt eines einheitlichen Gesundheitsprogramms, dem sich jeder Mitarbeitende unterziehen muss, können die Angestellten flexibel nach den eigenen Anforderungen wählen. Ein Bestandteil des Angebots mag zum Beispiel eine breite Palette an Sport- und Wellnessangeboten sein, aus denen gewählt werden kann. Hilfreich ist es auch, wenn Mitarbeitende den Ort dieses Angebots frei wählen können. Manche mögen ein Sportangebot näher am Büro bevorzugen, während primär von zu Hause arbeitende Beschäftigte eher von Bewegungsmöglichkeiten nahe ihrem Wohnort angesprochen werden. Dies kann beispielsweise entweder durch eine Kooperation mit einem Anbieternetzwerk umgesetzt werden oder durch Gesundheitsbudgets, über die Mitarbeitende frei verfügen können. Letzteres Modell verfolgt die ING1: 300€ stellt die Bank ihren Angestellten jährlich für die Nutzung von Angeboten in den Bereichen Bewegung, Vorsorge, Ernährung und gesundheitlicher Balance zur Verfügung. Zu erwähnen ist, dass die ING ihren Beschäftigten selbst Betriebssport, Bewegungsangebote, Kochkurse und Gesundheitsseminare sowie Resilienz-Coachings anbietet. Jedoch können auch externe Kurse am eigenen Wohnort besucht werden. Die Stadtwerke Solingenhaben sich hingegen für einen unternehmenseigenen Fitnessraum entschieden, in dem Kurse so stattfinden, dass sie direkt nach der Arbeitszeit besucht werden können. Außerdem können Mitarbeitende ein Deskbike nutzen, mit dem sie während des Arbeitens in Bewegung bleiben.

Mentale Gesundheit in Zeiten der Krisenüberlagerung 

Bislang oft vernachlässigt, spätestens seit der Pandemie aber immer präsenter, ist die mentale Gesundheit der Angestellten. Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Energiekrise sind immer mehr Menschen sowohl aufgrund privater als auch beruflicher Herausforderungen psychisch belastet. Einsamkeit, Überlastung, Stress und Depressionen können die Resilienz und Gesundheit der Mitarbeitenden stark beeinträchtigen.

Person blickt auf viele zerknüllte Papierzettel

Gleichzeitig ist mentale Gesundheit in konventionellen Unternehmenskulturen meist ein Tabuthema. Die Wirtschaftskanzlei Allen & Overy3 hat 2020 auf die globale Situation reagiert, indem sie sogenannte „Mental Health Advocates“ berufen hat. So bezeichnet man Mitarbeitende, die speziell als Vertrauenspersonen und Botschaftende für mentale Gesundheit geschult werden. Sie sollen Anzeichen psychischer Belastung erkennen sowie Kolleginnen und Kollegen beratend zur Seite stehen, über Angebote informieren und Programme ins Leben rufen. Gleichzeitig wurde eine 24-Stunden-Telefonhotline eingerichtet, die Mitarbeitende jederzeit anonym anrufen können. Unternehmen können Angebote für die mentale Gesundheit vielfältig ausgestalten. Beliebt sind beispielsweise Apps für Entspannung und Meditation. Die Ideen reichen auch über individuelle Coachings, betriebliche psychologische Angebote bis hin zu Resilienz-Seminaren. Weitere Unternehmen setzen auf Meditationskurse in der Mittagspause oder gemeinsames Yoga zum Start in den Tag. Besonders die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden mit viel Kundenkontakt sollte für Energieversorger aktuell im Vordergrund stehen. Die enorm gestiegenen Gas- und Strompreise führen zu Unmut und Ärger bei Kundinnen und Kunden. Die eigene Frustration wird dann häufig an Mitarbeitenden im Kundenservice ausgelassen. Energieversorger tun gut daran, ihren Angestellten frühzeitig psychologische Beratung und Unterstützung an die Seite zu stellen.

Eine Frau macht Yoga auf einem Steg am See

Wichtig bei alledem ist die Frage, wie dafür gesorgt werden kann, dass Mitarbeitende diese Angebote auch wahrnehmen. Zunächst sollte gewährleistet werden, dass jene bedarfsgerecht sind – dies kann beispielsweise durch eine Umfrage sichergestellt werden oder gar durch ein Mitwirken der Beschäftigten bei der Entwicklung des Angebots. Darüber hinaus existieren verschiedene Möglichkeiten, um Mitarbeit anzuregen: Beschäftigte der Salvia Gebäudetechnik4 sammeln beispielsweise durch die Teilnahme an gesundheitsfördernden Maßnahmen Punkte, die in bis zu 1500€ Gehaltsbonus umgewandelt werden können. Die Teilnahme am BGM ist hier Thema im jährlichen Mitarbeitergespräch. Beim Biopharma-Unternehmen AbbVieist die Verantwortung für die Gesundheit der eigenen Mitarbeitenden in den Zielvereinbarungen für Führungskräfte verankert, die dazu regelmäßig Schulungen erhalten. Ein weiterer Ansatz kann Gamification sein: Wettbewerbe und Fitness-Apps, die mit Punktesystemen locken, können das Engagement im Gesundheitsangebot des Unternehmens attraktiver machen und Mitarbeitende motivieren, die sich sonst nicht beteiligt hätten. Eine solche Challenge könnte auch mit einer Spende für einen guten Zweck kombiniert werden.

Person checkt ihre Gesundheitsdaten über eine Smart Watch

Was macht eine gute Unternehmenskultur aus? 

Schließlich ist ein wesentlicher Bestandteil von Corporate Health die Unternehmenskultur. Können sich Mitarbeitende nach Feierabend entspannen oder wird permanente Erreichbarkeit erwartet? Wie wird mit Fehlern umgegangen? In welchem Maße ist mit Überstunden zu rechnen? Diese und viele weitere kulturelle Fragen beeinflussen maßgeblich die Gesundheit der Belegschaft. Wichtig ist vor allem die Vorbildfunktion der Führungskräfte. Schleppt sich die Führungskraft auch erkältet ins Büro oder schreibt um 23 Uhr noch E-Mails, fühlen sich die Teammitglieder indirekt dazu genötigt, dies ebenfalls zu tun. Einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung und der Barmer GEK zufolge gibt es außerdem überraschende Erkenntnisse zu flexiblen Arbeitszeitmodellen6: Mitarbeitende gaben an, dass diese nicht wie erwartet zu einer besseren Work-Life-Balance führen, sondern sie im Gegenteil sogar verschlechtern können. Ein fester Arbeitsrahmen mit Bezahlung der Überstunden und einer gesunden Portion Selbstbestimmung führen deutlich eher zu einem gesunden Arbeitsverhältnis als vollflexible Modelle. Diese verleiten schnell zu freiwilliger Überarbeitung und somit zu einem Schwinden der Work-Life-Balance.

Positiv ist jedoch anzumerken, dass besonders bei der Generation „Y“ (Generation, die im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späten 1990er Jahren geboren wurde) ein starker Trend zu mehr Achtsamkeit verzeichnet werden kann, der sich auch in einem gesünderen Verhältnis zur Arbeit ausdrückt. Die aktive Förderung von mentaler Gesundheit steht im Fokus, sodass Urlaub konsequent genommen, Arbeit von Freizeit getrennt und nicht krank ins Büro gegangen wird. Dies integriert sich in einen allgemeinen Wertewandel im Zuge der Pandemie, der sich innerhalb der gesamten Gesellschaft in ein Rückbesinnen auf Werte wie Gesundheit und Wohlbefinden ausgewirkt hat. Immer weniger Menschen sind bereit, sich übermäßig für ihr Unternehmen aufzuopfern. Auch der aktuell medial gehypte Trend des „Quiet Qutting“ reiht sich in diese Entwicklung ein. Mitarbeitende, die vorher bereit waren, große Mengen an unbezahlten Überstunden in ihren Job zu investieren und Aufgaben außerhalb ihrer Stellenbeschreibung zu übernehmen, besinnen sich nun auf die 40-Stunden-Woche zurück und lehnen es ab, mehr als die entlohnte Arbeit zu erfüllen.

Zusammengefasst kann gesagt werden: Unternehmen, die sich um die Gesundheit ihrer Beschäftigten kümmern, sorgen auch für den eigenen Unternehmenserfolg. Physisch und psychisch gesunde Mitarbeitende sind resilienter, fühlen sich stärker an ihren Arbeitgeber gebunden und engagieren sich mehr in ihrer Position. In Zeiten des Fachkräftemangels sind Maßnahmen wie Corporate-Health-Angebote ein wesentlicher Faktor, um im Kampf um Talente zu gewinnen.

 

Quellen:

[1] Wir sind mutig und probieren Neues | ING

[2] Betriebliche Gesundheitsförderung bei den Stadtwerken Solingen | Stadtwerke Solingen Blog (stadtwerke-solingen.de)

[3] Mental-Health-Advocates - Allen & Overy (allenovery.com)

[4] https://www.handelsblatt.com/technik/medizin/corporate-health-award-diese-unternehmen-foerdern-die-gesundheit-ihrer-mitarbeiter-vorbildlich/27872404.html?ticket=ST-14946742-Kcal3pTlhcr1CgtNeEpB-cas01.example.org

[5] https://news.abbvie.de/pressreleases/abbvie-deutschland-belegt-platz-1-beim-corporate-health-award-2021-3149273

[6]
Zukunftsinstitut (2016): Health Trends.