Trends vorgestellt: Soziales Unternehmertum

Engagement und Wohltätigkeit zählen zu den Grundpfeilern einer sozialen Gesellschaft. Doch was genau steckt dahinter und inwiefern können Unternehmen davon profitieren?

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Unternehmensorganisation
Themen:
Unternehmenskultur Bürgerbeteiligung Nachhaltigkeit Trend
Trends vorgestellt: Soziales Unternehmertum

Das Thema Nachhaltigkeit ist sowohl in privaten Haushalten als auch in allen wirtschaftlichen Sektoren allgegenwärtig. Viele Unternehmen legen jedoch häufig den Fokus ausschließlich auf den Klimaschutz. Dabei fordern Kunden und Mitarbeiter zunehmend auch soziales Engagement von Unternehmen.

Unter dem Trend „Soziales Unternehmertum“ werden Maßnahmen und Ansätze verstanden, soziale Herausforderungen mit Hilfe wirtschaftlicher Mittel anzugehen. Dazu gehören sowohl Start-ups mit explizit sozialer Zielsetzung als auch soziale Initiativen primär wirtschaftlich ausgerichteter Unternehmen. Getrieben wird das Thema nicht nur durch regulatorische Anforderungen, beispielsweise seitens der CSR-Richtlinie, sondern auch durch Mitarbeitererwartungen. Einer Studie des Unternehmens Qualtrics zufolge, in welcher deutschlandweit rund 500 Arbeitnehmer befragt wurden, erwartet ein wachsender Anteil der Mitarbeiter von Unternehmen, dass sich diese sozial engagieren.1 Im Vergleich zu den Ergebnissen von Februar 2020 und 2021 ist der Anteil derer, die sich gesellschaftliches Engagement von ihrem eigenen Unternehmen wünschen, von 56% auf 64% gestiegen. Eine Studie des internationalen Wirtschaftsmagazins Forbes aus dem Jahr 2019 zeigt zusätzlich, dass soziale Aktivitäten von Unternehmen auch bei der Kaufentscheidung von jungen Menschen der Generation Y eine wesentliche Rolle spielen.2 Eine weitere Studie des US-amerikanischen Versicherungsunternehmens Aflac aus dem gleichen Jahr ergab, dass sich sogar 77% aller Konsumenten dazu motiviert fühlen, Produkte von Unternehmen zu kaufen, die einen Beitrag zur Verbesserung in der Gesellschaft leisten.3

Das Stadtwerk im Vorteil

Im Wettbewerb mit reinen Vertriebsgesellschaften, die Kunden mit niedrigpreisigen Angeboten und Boni anwerben, müssen lokale Versorger über alternative Verkaufsargumente punkten. Die Preisspirale ist kein nachhaltiges Geschäftsmodell, wie aktuell an den durch die hohen Beschaffungspreise bedingten ersten Insolvenzen und Vertragskündigungen verschiedener Energieversorgungsunternehmen zu sehen ist. Das soziale Engagement ist dabei ein geeigneter alternativer Wettbewerbsvorteil für Stadtwerke, die meist lokal stark vernetzt sind. So gehören die Unterstützung lokaler Sportvereine oder das Sponsoring regionaler Feste häufig zu den sozialen Tätigkeiten lokaler Energieversorger. Die Badenova AG & Co. KG geht beispielsweise einen Schritt weiter und misst seit drei Jahren regelmäßig den eigenen Beitrag zur regionalen Wertschöpfung, zum Gemeinwohl und zur Lebensqualität der Menschen in der Region und publiziert die Ergebnisse in einem „Gemeinwohlbericht“.

Besonders die COVID-19-Pandemie aber auch Naturgewalten, wie beispielsweise jüngst die Flutkatastrophe in vielen Teilen Deutschlands, haben Versorger dazu bewegt, sich sozial zu engagieren. So halfen beispielsweise Mitarbeiter der Stadtwerke Rees während der Corona-Pandemie bei der Kontaktnachverfolgung und unterstützten damit das Gesundheitsamt Kleve nachhaltig. Die Stadtwerke Dinslaken halfen im Gebiet der Flutkatastrophe beim Wiederaufbau des Stromnetzes. Dazu wurden u. a. vier Trafostationen mit Schaltanlagen, die planmäßig für die örtlichen Bauprojekte in Dinslaken bestellt waren, in die betroffenen Gebiete ausgeliefert.

Sandsäcke liegen in einer durchfluteteten Straße

Auch diese Beispiele gehören im weitesten Sinne noch zu den „klassischen“ Aufgabengebieten eines Stadtwerks. Deutlich weiter gehen die Stadtwerke Tübingen mit einer neuen Abholstation namens "TüBox", die das kontaktlose Einkaufen 24/7 online ermöglicht und zugleich das Klima schützt sowie die lokalen Händler unterstützt. Die Stadtwerke stellen mit der „TüBox“ 26 Schließfächer explizit für lokale Händler zur Verfügung. Mit dieser Aktion fördern und stärken die Stadtwerke die lokale Innenstadt und leisten einen Beitrag, um kleine Geschäfte vor der Konkurrenz der großen Onlinehändler zu bewahren.

Auch müssen soziale Initiativen nicht nur reine Kostenträger sein: die neue Tochter der Naturstrom AG, Change Energy, bietet einen sozialen Ökostromtarif an. Jeder Kunde fördert mit seinem Stromvertrag automatisch Projekte bei der Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf e.V. Dieses Beispiel zeigt, wie sich soziales Engagement gleichzeitig mit einem neuen Geschäftsmodell verbinden lässt.

Soziales Engagement als Instrument zur Mitarbeiter- und Kundenbindung

Wie können Stadtwerke nun vorgehen? Eine wichtige Erkenntnis aus der zu Beginn erwähnten Studie des Unternehmens Qualtrics belegte, dass Mitarbeiter in die Entscheidung für soziale Projekte miteinbezogen werden möchten. 54% der Teilnehmer gaben an, dass sie nach ihrer Meinung gefragt werden möchten. Stadtwerke sollten also Mitarbeitern, in Form von Umfragen oder gemeinsamen Workshops, die Möglichkeit geben, eigene Ideen für soziale Projekte einzubringen. Dennoch sollte darauf geachtet werden, dass sich soziales Engagement weiterhin auch mit den eigenen ökologischen Zielen verträgt. So sind in der Pandemie vereinzelt Stadtwerke in die Kritik geraten, die Tankgutscheine für Benzin oder Diesel an Geschäftskunden als Unterstützungsmaßnahme verteilt haben.

Weiteres Potenzial zur Mitarbeiterbindung bietet die Einbeziehung der Angestellten in die Umsetzung der sozialen Initiativen – wie etwa in Form von bezahlten sozialen Tagen, bei denen Teams einen Tag lang in einer wohltätigen Organisation Freiwilligendienst leisten, zum Beispiel indem sie in Einrichtungen wie Seniorenheimen, Kindertagesstätten oder Tierheimen aushelfen.

Zwei Frauen kuscheln einen Hund vor Tierzwingern

Um sozial engagierte Kunden anzulocken, sollten soziale Aktivitäten selbstverständlich auch medienwirksam vermarktet werden. Dies gelingt beispielsweise indem jene Kunden per Online-Abstimmung in die Wahl der Aktivitäten oder Spendenempfänger miteinbezogen werden. So können Bürger direkt und gewinnbringend mitentscheiden, welche Projekte in ihrer Stadt unterstützt werden sollen.

Schlussendlich sollten auch Geschäftsmodellansätze nicht außen vorgelassen werden, die einen sozialen Beitrag mit einem profitablen Produkt kombinieren. Hier können soziale Start-ups als eine mögliche Inspirationsquelle dienen.

 

[1] Vgl. Original Research: CSR & Employee Engagement | Qualtrics

[2] Vgl. Millennial Spending Habits and Why They Buy (forbes.com)

[3] Vgl. 2019-aflac-csr-infographic-and-survey.pdf