Dynamische Tarife: Steigendes Marktpotenzial trotz Implementierungsaufwänden
Spätestens 2025 müssen Energieversorger dynamische Tarife in ihrem Produktportfolio integriert haben. Eine große Herausforderung, welche nicht nur den Markt betrifft, sondern auch die einzelnen Organisationen. In einer aktuellen Befragung haben wir dies beleuchtet und die Ergebnisse zusammengefasst.
Ab dem 1. Januar 2025 sind alle Energieversorger verpflichtet, ihren Kundinnen und Kunden einen dynamischen Stromtarif anzubieten. Größere Energieversorger haben ihre Angebote bereits platziert, kleinere Unternehmen arbeiten aktuell mit Hochdruck an der Implementierung dieser neuen Tarifoption. In den Veranstaltungsformaten der Energieforen wurde das Thema in der ersten Hälfte dieses Jahres intensiv diskutiert. Dies und unsere Erfahrungen in der Begleitung verschiedenster Energieversorger bei der Implementierung dynamischer Stromtarife haben wir zum Anlass genommen, Mitarbeitende aus der Branche einerseits nach aktuellen und zukünftigen Marktpotenzialen zu befragen und andererseits die organisatorischen Aspekte zur Einführung dieser Produkte zu beleuchten. Über 60 Energieversorger haben sich an dieser Befragung beteiligt.
Herausforderungen und Perspektiven für die Energiewirtschaft
Die nun vorliegenden und aufbereiteten Ergebnisse zeigen, dass dynamische Stromtarife trotz der erheblichen initialen Implementierungsaufwände mittel- und langfristig eine Chance für etablierte Energieversorger darstellen, ihr PuG-Produktportfolio insgesamt zu modernisieren. Denn das Marktpotenzial für diese Option – so sehen es 61 Prozent aller Befragten – wird sich in der Zukunft erhöhen. Erhöhen – und das exponentiell – werden sich auch die Datenmengen, die nachzuhalten und aufzubereiten sind. Bei ¼-stündlich wechselnden Preisen und Verbräuchen fallen pro Haushaltskunde und Jahr über 70.000 Datensätze* an, die den Endkunden in übersichtlicher Form aufzubereiten sind. Bestehende Prozesse und Systeme könnten dabei an ihre Grenzen stoßen und sollten deshalb durchgängig digitalisiert werden. Grundsätzlich handelt es sich bei der Einführung dieser neuen Tarifoption nicht „nur“ um ein neues Produkt, sondern um den Startpunkt einer tiefgreifenden Veränderung der Produktlandschaft, die ab dem 01. April 2025 mit der Einführung dynamischer – im ersten Schritt zeitvariabler Netzentgelte nach § 14 a Modul 3 EnWG - in ihre nächste Phase gehen wird. Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Mehrheit aller Teilnehmenden dynamische Tarife eher als Chance versteht, das gesamte Unternehmen zukunftsfähig aufzustellen.
Strukturelle Hürden und Belastungen für Mitarbeitende
Im zweiten Teil der Befragung wurden die organisatorischen und prozessualen Herausforderungen analysiert, die mit der Implementierung und Vermarktung der dynamischen Tarife einhergehen. Die Ergebnisse zeigen hier ein komplexes und teilweise pessimistisches Bild. Eine signifikante Mehrheit der Befragten sieht die aktuellen Strukturen als unzureichend an, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden. Hinzu kommt die seit Jahren hohe Arbeitsbelastung der Mitarbeitenden der Energiewirtschaft, von denen nicht nur, aber vor allem, die kleinen und mittleren Versorger betroffen sind. Obwohl in den letzten Jahren – beginnend mit dem Ukraine-Krieg und dessen teilweise gravierenden Auswirkungen auf die Energiewirtschaft – Prozess- und Personalanpassungen vorgenommen wurden, erachtet eine überwiegende Mehrheit der Befragten diese als unzureichend, um den zukünftigen Herausforderungen gerecht zu werden. Zudem geht eine überwältigende Mehrheit der Befragten nicht davon aus, dass sich die Situation, welche durch neue Themen und damit einhergehende, kontinuierlich neue Anforderungen an die Mitarbeitenden geprägt ist, in Zukunft wieder entspannen wird. Vor allem die Geschwindigkeit der Veränderungen – auch die regulatorischen Vorgaben – führt zur großen Be- und Überlastung der Mitarbeitenden. Der gesamtgesellschaftlich zunehmende Fachkräftemangel ist ebenfalls deutlich spürbar, so stimmten 79 % aller Befragten zu, dass es zunehmend schwieriger wird, neue Mitarbeitende zu finden.
Fazit: Strategien für eine zukunftsfähige Energiebranche
Um die Chancen zu nutzen, die dynamische Tarife bieten, und um durch sie die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen zu sichern, müssen notwendige Maßnahmen ergriffen werden. Dazu zählen die Entwicklung attraktiver Produktangebote für Endkunden, die Implementierung digitaler Prozesse sowie die kontinuierliche Organisationsentwicklung. Dabei sollten Prozesse und Strukturen regelmäßig überprüft und optimiert werden. Zudem wird ein starkes und vor allem ganzheitliches Employer Branding nötig sein, um qualifizierte Mitarbeitende zu halten und neue Mitarbeitende zu gewinnen.
*(¼-stündige Preise und Verbräuche pro Tag, sind jeweils 96 Datensätze, mal 365 Tagen im Jahr)
Die vollständigen Befragungsergebnisse können Sie hier herunterladen ➡️ Marktbefragung Dynamische Tarife und Auswirkungen.