Kunden- und Produktmanagement – nur gemeinsam erfolgreich
Die diversen Einflüsse der letzten Jahre haben bei Energieversorgern die Geschäftsmodelle und Strategien verändert bzw. zum Umdenken angeregt. Durch Branchen-Gespräche und einen guten Marktüberblick konnten wir feststellen, dass die Gestaltung des Produktportfolios und die Berücksichtigung der Kundenanforderungen nur gemeinsam funktionieren. Im nachfolgenden Interview geben unsere Experten aus dem Bereich Kunden- und Produktmanagement, Jan Leonhardt und Jens Buchterkirchen, einen Einblick.
Das Thema Kundenmanagement ist bereits seit einigen Jahren fester Bestandteil des Beratungsportfolios der Energieforen. Was hat euch dazu bewogen, euch genau mit diesem Bereich auseinandersetzen zu wollen?
Jens: Kundinnen und Kunden bzw. ihre Bedürfnisse sind der Grund dafür, warum Unternehmen existieren. Die Aufgabe von Unternehmen – also auch die der Energieforen – ist es, passende Lösungen für die Bedürfnisse auf Kundenseite anzubieten. Die Ansprüche sind einem permanenten Wandel ausgesetzt. Dementsprechend ist es nötig, sich regelmäßig mit Veränderungen auseinanderzusetzen.
Jan: In den vergangenen drei Jahren hat sich unsere Welt und vor allem die der Energiewirtschaft in einem Tempo verändert, dass vorab für alle undenkbar war. Energieversorger stehen unserer Ansicht nach vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte, denn sie haben neben all den Umbrüchen zusätzlich die Umsetzung der Energiewende auf lokaler und regionaler Ebene zu meistern. Die Bedürfnisse auf Kundenseite verändern sich gerade diametral, denen gilt es Rechnung zu tragen.
Weshalb habt ihr noch einmal nachjustiert und kürzlich speziell die Produktebene integriert? Gibt es Abstufungen/Unterschiede bei den Teilbereichen oder seht ihr beides gleichrangig auf einer Ebene?
Jan: Wir haben in den letzten Monaten sehr viele Gespräche mit den Expertinnen und Experten aus den EVU geführt und dabei vor allem aufmerksam zugehört, um die tatsächlichen Problemstellungen und die akuten sowie perspektivischen Bedarfe zu erfassen. Die Produktwelt der Energieversorger verändert sich gerade. Neben den klassischen Commodities werden die energienahen Leistungen und Dienstleistungen bzw. eine „Mischung aus beidem“ an Bedeutung gewinnen. Im Prinzip sind das die akuten Bedarfe, wie wir z.B. aktuell am Thema Wärmepumpen sehen. In diesem Bereich haben wir im 1. Quartal 2023 bereits zwei größere EVU in Projekten unterstützt.
Jens: Auch deshalb haben wir die Produktebene ergänzt. Abstufungen zwischen der Kunden- oder Produktsicht gibt es nicht. Es geht dabei um zwei unterschiedliche Perspektiven, welche wir auf dem Energiemarkt haben: Einerseits die Bedürfnisse der Kundschaft und andererseits die Lösungs- bzw. Produktangebote der Energieversorger. Mit der Kombination beider Perspektiven sind wir der Überzeugung, unsere Kundinnen und Kunden besser und zielgerichteter begleiten zu können als bisher.
Wo liegen die Schmerzpunkte der Branche und welche großen Herausforderungen warten in den nächsten Jahren?
Jan: In einer Welt im Wandel braucht es Menschen und Unternehmen, die den Überblick und das Ziel der Umsetzung der Energiewende im Fokus behalten. Wir selbst haben für uns als Zukunftsgestalter das interne Bild des „Lotsen“ vor Augen. Wir begleiten und unterstützen die großen, mittleren und kleineren Schiffe durch die Stürme dieser Zeit. Das ist herausfordernd und befriedigend zugleich. Unseren eigenen Anspruch zu erfüllen und genau als dieser „Lotse“ wahrgenommen zu werden, ist und bleibt unser alltägliches Zielbild.
Jens: Die drei größten Schmerzpunkte der Energiewirtschaft sind unserer Ansicht nach diese:
- Energieversorger müssen sich zu Energiewende-Dienstleistern entwickeln, d.h. sie müssen in kürzester Zeit und unter weiterhin unsicheren Bedingungen ihr Angebotsportfolio, gegebenenfalls auch ihre Netzinfrastruktur, umbauen. Gleichzeitig werden die Kundinnen und Kunden, das gilt gleichermaßen für B2B und B2C, immer heterogener also unterschiedlicher.
- Der sich verschärfende Fachkräftemangel trifft die Branche besonders. Einerseits gehört ein Großteil der Belegschaft von Versorgern der Generation „Babyboomer“ an, welche in den kommenden Jahren vermehrt in den Ruhestand eintritt. Andererseits braucht es in einem rasant komplexer werdenden Umfeld eine moderne und offenere Unternehmenskultur, um die Attraktivität als Arbeitgeber – nicht nur, aber insbesondere für – die GEN Z zu erhöhen.
- Energieversorger sollten die Rolle neu finden und sich vor allem als Lösungsanbieter definieren und positionieren. Die letzten Jahre, vor allem die Zeit ab Herbst 2021, hat deutliche Spuren bezüglich der Rolle und dem Image von EVU hinterlassen. Die regionale Marke der Energieversorger gilt es zu stärken, zunächst für die Mitarbeitenden einschließlich potenzieller Neuen und anschließend für die Öffentlichkeit. Die Versorger sind völlig zu Unrecht in die Rolle des „Überbringers der schlechten Nachrichten“ gedrängt worden.
Eine abschließende Frage: Gibt es einen „Königsweg“, den Energieversorger – mit Unterstützung der Angebote der Energieforen – gehen könnten?
Jan: Hierzu eine ganz klare Antwort: Nein, den gibt es nicht. Obwohl alle Versorger vor den gleichen Aufgaben stehen, befindet sich jedes Unternehmen an einem anderen Ausgangspunkt. Es ist vergleichbar mit einem mehrdimensionalen Koordinatensystem. Die „Hauptkoordinaten“ sind beispielsweise das aktuelle Produkt- bzw. Kundenportfolio, die Struktur der Mitarbeitenden, das geografische Umfeld usw. Im Prinzip ist jeder Energieversorger eine Art Kugel in diesem System.
Jens: Deshalb sind unsere Leistungen und Beratungsangebote eher wie ein Puzzle aufgebaut. Wir analysieren zunächst die individuelle Situation des EVUs, also den Bedarf oder um bei dem Bild zu bleiben „seine Koordinaten“. Erst danach bieten wir unsere individuelle Unterstützung bzw. Begleitung an. Es geht uns darum, gemeinsam mit dem EVU einen individuell passgenauen Lösungsweg zu beschreiben und diesen anschließend zu beschreiten. Das ist unser Ansatz als Zukunftsgestalter – gemeinsam mit und für unsere Auftraggebenden.