Krisenlage ungewiss: Wo stehen Energieversorgungsunternehmen?

Dr. Maik Piehler, Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig GmbH, stellt sich im Interview kritischen Fragen zur aktuellen Krisensituation sowie der schwierigen Stellung von Energieversorgungsunternehmen. Gleichermaßen wagt er einen Blick auf zukünftige Entwicklungen.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie und Innovation
Themen:
Energieversorger Krise Stadtwerke Versorgung
Krisenlage ungewiss: Wo stehen Energieversorgungsunternehmen?

Dr. Maik Piehler ist seit Juli 2019 als Geschäftsführer der Stadtwerke Leipzig GmbH tätig. Zuvor leitete er bei selbigem Energieversorgungsunternehmen die Bereiche Marktsteuerung, Unternehmenssteuerung sowie Strategisches Controlling/Unternehmensentwicklung und war zudem als Prokurist in leitender Funktion tätig. Die Energieforen freuen sich besonders, ihn als Speaker auf dem Energy for Future Leaders Kongress 2023 am 16./17. März 2023 begrüßen zu dürfen.

Schon vorab haben wir Dr. Maik Piehler zu einem Interview getroffen und ihm vier Fragen rund um die aktuelle Situation auf dem Energiemarkt aus Sicht eines Energieversorgungsunternehmens gestellt.

Energieforen: Wie haben Sie die anhaltende Krisensituation in den vergangenen Wochen und Monaten sowohl auf dem Markt als auch direkt bei Ihnen im Haus wahrgenommen?

Dr. Maik Piehler: Knapp zusammengefasst würde ich die letzten Monate als anstrengende und heraus­fordernde Zeit bezeichnen. Es war wirklich aufreibend, die verschiedenen Dimensionen der Krise schnell zu erfassen, sachlich zu bewerten und robuste Entscheidungen zu treffen. Nicht zu vernachlässigen war dabei, in einem zeitweise sehr aufgeregten Umfeld die erforderliche Ruhe und Zuversicht zu vermitteln. Die Zeit war ebenso geprägt von intensiven, teils sehr schnelllebigen, politischen Diskussionen und kurzfristig umzusetzenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Gasmangellage bis hin zu Liquiditätsengpässen, insbesondere bei Stromerzeugern durch hohe Terminmarktpreise. Herausfordernd war und ist zudem, die mittelfristige Versorgungssicherheit und die langfristige Dekarbonisierung trotz der vielen Aufgaben des Tagesgeschäftes weiter im Fokus zu behalten. Als Leipziger Stadtwerke haben wir eine erfahrene Mannschaft, die besonders in diesen Zeiten zeigt, wie wertvoll regional engagierte Kompetenz ist.

Energieforen: Wo geht die Reise mit den Gas- und Strompreisen im kommenden Jahr hin?

Dr. Maik Piehler: Die Reise geht dynamisch weiter und auch wir als Leipziger Stadtwerke können diese Frage nicht sicher beantworten. Wir setzen grundsätzlich auf langfristige Beschaffungsstrategien, um unseren Kundinnen und Kunden attraktive Preisniveaus anzubieten und starke Preissteigerungen zu vermeiden. Aktuell ist das gesamte System der Energieversorgung in Europa jedoch in ein Ungleichgewicht geraten. Dabei ist unsere Einschätzung aber, dass sich die Gas- und Strommärkte wieder beruhigen werden. In welchem Zeitraum sich das auf welchem Preisniveau einpegeln wird, ist aktuell hingegen schwer abschätzbar. Gleichzeitig wird der Umbau auf eine diversifizierte Energieversorgung mit höheren Anteilen der erneuerbaren Energien weiter vorangetrieben. Es ist wahrscheinlich erst nach dem Jahr 2023 mit stabilen und vorhersehbaren Preisstrukturen zu rechnen.

Energieforen: Wie sehen Sie die aktuelle Zwickmühle eines Stadtwerks zwischen Investitionen in die Energiewende und der benötigten Liquidität für das operative Geschäft?

Dr. Maik Piehler: Diese doppelte Herausforderung bestand in den letzten Monaten für zahlreiche Energie­versorgungsunternehmen. Wir als Leipziger Stadtwerke sind in der guten Situation, dass uns die Stadt Leipzig eine umfangreiche temporäre Liquiditätshilfe als Sicherheitsnetz für mögliche hohe Marginleistungen an den Strom- und Gasmärkten gewährt hat. Dafür sind wir sehr dankbar. Dies ermöglicht uns die Fortsetzung unseres Investitionspfads für die Energiewende vor Ort. Viele andere Energie­versorger führen unseres Wissens aktuell intensive Diskussionen, wie sie diese doppelte Herausforderung am besten bewältigen können. Es geht schließlich um ambitionierte Ziele und große Zahlen.

Energieforen: Wenn Sie eine konkrete Forderung an unsere Bundesregierung richten könnten, die unmittelbar im 1. Halbjahr 2023 umgesetzt wird, wie würde diese lauten?

Dr. Maik Piehler: Wir haben bescheidene Erwartungen. Die Regelungen, die aktuell in sehr kurzem Rhythmus zur Dämpfung der Krise vorgeschlagen werden, sollten in einfacher und ausgewogener Weise rechtssicher verankert werden. Wir brauchen Rahmenbedingungen, die nicht nur leicht und schnell umsetzbar, sondern auch ebenso leicht und schnell unseren Kundinnen und Kunden erklärbar sind.