Psychologie to go: Warum führt uns der Kopf manchmal aufs Glatteis?

Das menschliche Gehirn ist ein hochkomplexes Leistungszentrum im Körper. Völlig unbewusst werden unsere Gedanken häufig nach Automatismen gesteuert und wir damit geschickt manipuliert. Wir verraten Ihnen was dahintersteckt und welche Tricks Sie im Alltag anwenden können.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Unternehmensorganisation
Themen:
Arbeitswelten New Work Unternehmensorganisation Personal (Human Resources)
Psychologie to go: Warum führt uns der Kopf manchmal aufs Glatteis?

Warum lieben wir, was wir kennen? Weshalb sehen wir nur schöne Menschen in der Werbung? Warum ist Lob nicht immer gut? Und aus welchem Grund sollten wir uns nicht immer Kaffee ausgeben lassen?

Das sind scheinbar banale Fragen. Doch desto öfter man sie liest, desto häufiger hört man eine kleine Stimme im Kopf immer lauter fragen: „Ja warum eigentlich?“ – Die Antworten auf diese und etliche andere Fragen sowie Phänomene, möchten wir Ihnen in dieser neuen Newsletter-Reihe gern beantworten.

In Zukunft möchten wir Sie gern in die spannende Welt der psychologischen Alltagsphänomene mitnehmen – Ihnen zeigen, wie uns unser Kopf manchmal selbst austrickst und was wir dagegen tun können. Darüber hinaus werden interessante Impulse beleuchtet, damit Sie Ihren Blick auf die Welt um sich herum etwas schärfen können. Das Wichtigste dabei: Nicht nur die graue Theorie aus dem Lehrbuch niederschreiben, sondern immer lebensnahe und praktische Beispiele skizzieren!

Der große Computer im menschlichen Körper 

Um sich zunächst der Welt der Psychologie und der Frage „Warum unser Kopf macht, was er tut“ widmen zu können, hier erst einmal ein paar interessante Fakten:

  • Unser Gehirn besteht aus schätzungsweise 86.000.000 Neuronen.
  • Diese erhalten ca. 80.000 bis 100.000 Sinnesreize pro Sekunde.
  • Davon können jedoch nur etwa 40.000 Reize verarbeitet werden.
  • Zudem treffen wir am Tag ungefähr 20.000 Entscheidungen.

Anhand dieser Zahlen sieht man sehr gut, mit wie vielen Einflüssen unser Hirn alltäglich zurechtkommen muss. Doch wie schaffen wir es eigentlich jeden Tag unglaubliche 20.000 Entscheidungen zu treffen? Der Schlüssel liegt in den sogenannten Automatismen.

Wie arbeiten die Systeme in unserem Kopf? 

Daniel Kahnemann beschreibt in seinem Buch „Schnelles Denken, Langsames Denken“ (2011), dass unser Gehirn in zwei verschiedenen Modi arbeitet. Er nennt diese System 1 und System 2.

  • System 1: Arbeitet schnell, ohne kognitiven Aufwand und ohne willentliche Steuerung.
  • System 2:  Ist aufmerksamkeitsgesteuert, benötigt kognitive Ressourcen und handelt überlegt.

Was heißt das für unseren Alltag? Ganz einfach, fast alle Entscheidungen, die wir über den Tag treffen, werden von System 1 übernommen. Ob das Schalten beim Autofahren oder Anstellen der Kaffeemaschine, alles automatisierte Prozesse, welche über das System 1 laufen. Dieses fungiert sozusagen als unser Autopilot. Sobald wir aber von unserem Chef aufgefordert werden bspw. eine Kostenschätzung abzugeben, springt automatisch das System 2 ein und wir berechnen Preise, Kosten und schätzen Wahrscheinlichkeiten. Da unser System 2 also immer nur dann „dazugeschalten“ wird, wenn System 1 nicht mehr weiterkommt, sparen wir sehr viele kognitive Ressourcen und können effizient 20.000 Entscheidungen am Tag treffen – das perfekte Zusammenspiel also!

Naja, fast zumindest. Lassen Sie uns das an einer kleinen Aufgabe verdeutlichen. Wichtig dabei ist: Beantworten Sie die Frage so schnell wie möglich, ohne groß darüber nachzudenken – vertrauen Sie zunächst Ihrer Intuition:

Ein Tischtennisschläger und ein Tischtennisball kosten zusammen 1,10€.
Der Schläger kostet 1,00€ mehr als der Ball. Wie viel kostet der Ball?

Der erste Gedanke, der den meisten Menschen in den Sinn kommt: „Ist doch ganz logisch, 0,10€“. Diese Antwort ist zwar intuitiv, aber leider falsch. Die richtige Antwort lautet fünf Cent (1,05€ + 0,05€ = 1,10€).

An diesem Beispiel wird die Schwäche der zwei Systeme deutlich: Das schnelle System 1 läuft immer parallel mit, während sich System 2 nur dann zuschaltet, wenn es benötigt wird. Leider ist diese „Zuschaltung“ fehleranfällig. Das bedeutet wiederum, es schaltet sich nicht zwingend immer ein, wenn es gebraucht werden würde.

Was steckt hinter Fehlerscheinungen? 

Diese Lücke zwischen System 1 und System 2 ist das Einfallstor für weit über 100 sogenannte kognitive Verzerrungen/Fehler (Bias). Einer dieser Kognitionsfehler ist die sogenannte Reziprozität – „Ich helfe dir und du hilfst mir“. Dabei handelt es sich um das Bedürfnis bei niemandem in der Schuld stehen zu wollen. In dem sogenannten Kopierer-Experiment von 1971 wurde dieser Effekt gut nachgewiesen. Dabei sollten Testpersonen für eine andere Person Kopien ziehen. Ein Teil der Probanden bekam bei der Durchführung des Experimentes spontan einen kostenlosen Kaffee angeboten, die anderen nicht. Im Ergebnis war festzustellen, dass die Probanden, welche einen Kaffee erhalten haben, signifikant mehr Kopien für die andere Person angefertigt haben als die Probanden, welche keinen Kaffee bekommen haben. Sie waren dazu geneigt, die Gefälligkeit zu erwidern und haben dafür mehr geleistet als rational betrachtet notwendig war.

Jetzt wissen Sie also, dass Ihr Kopf dazu neigt, kleine Gefallen mit Mehrleistung zu erwidern und warum Sie sich nicht immer einen Kaffee ausgeben lassen sollten. Wenn Sie nun wissen möchten, welche Fehlererscheinung als Mutter aller kognitiven Verzerrungen bezeichnet wird, dann freuen Sie sich auf die nächsten Impulse aus der Psychologie.

 

Quellen zum Weiterlesen:
Dobelli, R. (2014). Die Kunst des klaren Denkens. Piper Verlag GmbH.
Kahnemann, D. (2012). Schnelles Denken, langsames Denken (T. Schmidt, Übers.; 12. Auflage). Sieler Verlag, Verlagsgruppe Random House GmbH.