Kraft der Kollaboration – Projektbericht Brancheninitiative „GenAI Factory Netzbetreiber“
Unsere Brancheninitiative zeigt, wie Netzbetreiber gemeinsam den Weg in eine KI-gestützte Zukunft beschreiten. In nur sechs Monaten wurden konkrete KI-Anwendungen entwickelt, ein Plattform-MVP geschaffen und die organisatorischen Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Digitalisierung untersucht. Das Projekt wurde nicht nur mit Platz 1 beim STADTWERKE AWARD 2025 ausgezeichnet, sondern legt den Grundstein für eine langfristige Transformation in der Energiewirtschaft.

Gemeinsam in die KI-Zukunft der Energiewirtschaft
Bei der Brancheninitiative „GenAI Factory Netzbetreiber“ handelt es sich um ein großes kollaboratives Projekt mit dem Ziel, eine anwenderfreundliche, energiewirtschaftliche KI-Plattform für Netzbetreiber zu entwickeln, die konkrete Use Cases adressiert und die Basis für eine KI-getriebene Organisation schafft. Das Projekt begann im Januar 2025 mit den sieben Netzbetreibern SWKiel Netz GmbH, RheinNetze AG, Stadtwerke Bielefeld GmbH, enercity Netz GmbH, Energieversorgung Halle Netz GmbH, Stadtnetze Münster GmbH sowie Netze Duisburg AG und wurde im August 2025 mit einer Abschlussveranstaltung offiziell beendet. Unter der Projektleitung der Energieforen und A4I Leipzig GmbH wurde von Beginn an auf eine kollaborative Entwicklung gesetzt.
Von der Idee zur Anwendung
Während der sechsmonatigen Laufzeit bearbeitete das Projektteam fünf verschiedene Module. Das erste Modul befasste sich mit den Rahmenbedingungen. Hierbei wurden sowohl rechtliche als auch IT-sicherheitsrelevante Aspekte beleuchtet – insbesondere mit Blick auf die KRITIS-Umgebung. Die praktische Umsetzung stand im Mittelpunkt des zweiten und dritten Moduls. Aus dem Arbeitsmodell „Arbeitsalltag“ heraus entstanden konkrete KI-Anwendungen. Zunächst wurden Use Cases methodisch identifiziert, anschließend gemeinsam mit den Fachanwendern der teilnehmenden Unternehmen in thematischen Gruppen bewertet und technisch weiterentwickelt. In vier Bereichen – Kundenservice, Stromlastprognose, automatisierte E-Mail-Bearbeitung und Netzdokumentation – wurde jeweils ein Use Case realisiert. Die Auswahl der Use Cases erfolgte demokratisch. Zuerst wurden sämtliche Ideen gesammelt und unvoreingenommen bewertet, anschließend in Workshops die vielversprechendsten Ansätze ausgewählt und ausgearbeitet. Nachdem ein Favorit feststand, startete die technische Umsetzung.
Agile Entwicklung und zentrale Plattform
Eine zentrale – und unerwartete – Herausforderung stellte sich bei der Bereitstellung geeigneter Trainingsdaten heraus. Die beteiligten Unternehmen mussten deutlich mehr Aufwand betreiben als zunächst angenommen. Ebenso erforderte die Datenaufbereitung durch unsere Entwicklungs-Tochterfirma einen größeren Einsatz als geplant. Mit der Datenbereitstellung begann auch die Entwicklung eines sogenannten KI-Minimum Viable Products (KI-MVP). Dieses MVP bildet die erste nutzbare Kernfunktionalität einer Anwendung ab – ohne bereits ein fertiges Produkt darzustellen. Es diente als Nachweis dafür, dass das zugrunde liegende Problem mit der gewählten Technologie lösbar ist, und ermöglichte zugleich einen praktischen Einsatz im Alltag.
Nach dem Prinzip der agilen Softwareentwicklung wurden für drei der vier Teilprojekte MVPs in mehreren Iterationszyklen entwickelt. Der jeweilige Fortschritt wurde regelmäßig den Unternehmen zur Verfügung gestellt, sodass deren Feedback kontinuierlich in die Entwicklung einfloss. In einem besonders komplexen Use Case zeigte sich, dass die verfügbare Datenmenge nicht ausreichte, um mit der gewählten Technologie bereits ein hochwertiges Ergebnis zu erzielen. In diesem Fall wurde ein „Proof of Concept“ erarbeitet, um die Herausforderungen und gewonnene Erkenntnisse zu dokumentieren. Zusätzlich konnten wichtige Erkenntnisse zu den individuellen Rahmenbedingungen, insbesondere in Bezug auf Data Governance und Datenverfügbarkeit, gewonnen werden. So wurde offensichtlich, dass in manchen Unternehmen nicht genügend Daten vorhanden waren, um anspruchsvolle Machine-Learning-Algorithmen sinnvoll zu trainieren. Diese Erkenntnis war dennoch sehr wertvoll für die strategische Ausrichtung der Unternehmen im Umgang mit Daten.
Ein weiteres Ziel war die Entwicklung eines MVPs für eine zentrale KI-Plattform. Diese Plattform sollte mehrere Funktionen erfüllen: Zum einen sollten Mitarbeitende die Möglichkeit erhalten, KI-Chat-Funktionen in einer sicheren und vertrauenswürdigen Umgebung zu nutzen. Zum anderen sollte das Hochladen und Interagieren mit bestehenden Dokumenten möglich sein. Darüber hinaus verfolgte das Projekt das Ziel, ein unternehmensspezifisches GPT zu integrieren, das globale Dokumente als Kontext für Mitarbeitende bereitstellt. Dabei mussten selbstverständlich alle Anforderungen an Cyber Security, Datenschutz und Diskretion erfüllt werden. Dies beinhaltete sowohl ein Rollenkonzept zur Nutzerverwaltung als auch Optionen zur Administration und Konfiguration. Die Idee dahinter war, dass individuell entwickelte Anwendungen nicht einzeln angebunden werden müssen, sondern über die Plattform als zentrale Schnittstelle in die Systemlandschaft integriert werden können.
Die Umsetzung dieses Ziels war jedoch mit erheblichem Aufwand verbunden. Die speziellen Anforderungen der kritischen Infrastruktur stellten hohe Ansprüche an die Entwicklung einer solchen Software. Deshalb wurde diesem technischen Kernelement ein umfassendes Teilprojekt im Rahmen des vierten Moduls gewidmet.
Veränderung gestalten und Zusammenarbeit stärken
Parallel dazu widmete sich das fünfte Modul dem Change-Prozess innerhalb der Unternehmen. Hier standen die Anpassungen im Fokus, die notwendig werden, wenn komplexe Technologien wie KI in den Arbeitsalltag Einzug halten.
Mit Blick auf den ambitionierten Zeitrahmen war das Projekt herausfordernd. Innerhalb von nur sechs Monaten sollten vier Use Cases, ein Plattform-MVP, die grundlegenden Rahmenbedingungen sowie technische und prozessuale Anpassungen abgeschlossen werden. Über 100 Personen aus allen beteiligten Unternehmen wirkten daran mit. Entsprechend hoch war der koordinative Aufwand – mit zahlreichen Terminen, Meetings sowie intensiver Vor- und Nachbereitung. Dennoch arbeiteten alle Beteiligten mit großem Engagement an dem gemeinsamen Ziel, ihr Unternehmen weiterzuentwickeln und den KI-Einsatz im Arbeitsalltag voranzubringen. Natürlich kam es dabei auch zu Reibungspunkten – und zur Erkenntnis, dass neben den behandelten Teilprojekten weitere Anpassungen und Weiterentwicklungen notwendig sind.
Erstaunlicherweise zeigte sich im Verlauf, wie tiefgreifend die beteiligten Unternehmen durchleuchtet wurden. Als Nebeneffekt wurde der gesamte Ablauf auf seine Eignung zur Integration von KI überprüft – wenn auch im kleinen Maßstab.
Auszeichnung und Ausblick
Schon die Nominierung beim STADTWERKE AWARD 2025 erfüllte uns mit großer Freude – umso überwältigender, am 1. Oktober 2025 im Rahmen des VKU-Stadtwerkekongresses schließlich den ersten Platz zu erreichen. Für alle Beteiligten bedeutete dies eine besondere Anerkennung als eines der innovativsten Projekte des Jahres in der Branche. Im Rahmen der Abschlussveranstaltung wurde das Projekt im August 2025 offiziell beendet. Der enge Austausch mit den Unternehmen soll jedoch weitergeführt werden – je nach individuellem Bedarf. Besonders erfreulich ist, dass einige MVPs gemeinsam mit bestimmten Unternehmen bis zur Produktreife weiterentwickelt werden sollen.
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"Ich persönlich empfinde es als sehr inspirierend, dass unser Projekt den Startpunkt für eine nachhaltige Entwicklung markiert – sowohl für unser eigenes Unternehmen als auch für die beteiligten Netzbetreiber. Es ist faszinierend zu sehen, wie viel wir gemeinsam gestalten können. Unsere Neugier scheint dabei keine Grenzen zu kennen. Für mich ist es jeden Tag aufs Neue eine große Motivation, diesen spannenden Wandel aktiv mitzugestalten."
– Philipp Siegfried, Projekteiter der Brancheninitiative