Von der Kohle zur KI: Wie in Duisburg die Energiewende gestaltet wird

Erfahren Sie, wie die Stadtwerke Duisburg die aktuellen Umbrüche meistern und welche Rolle Technologie und Kooperationen in der Gestaltung der urbanen Energieversorgung spielen. Ein Muss für alle, die an den aktuellen und zukünftigen Entwicklungen im Energiebereich interessiert sind.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie und Innovation
Themen:
Strategie Wärmeversorgung Energiewende Infrastruktur KI (Künstliche Intelligenz)
Von der Kohle zur KI: Wie in Duisburg die Energiewende gestaltet wird

In einem aufschlussreichen Interview, welches am Rande der E-world 2024 geführt wurde, beleuchtet Andreas Gutschek, Vorstand für Infrastruktur und Digitalisierung der Stadtwerke Duisburg AG, den tiefgreifenden Wandel in der Energiebranche. Von der Notwendigkeit, die kommunale Wärmeplanung voranzutreiben, über die Umstellung auf CO2-neutrale Energiequellen bis hin zur Integration von KI in den Arbeitsalltag – Gutschek teilt seine Visionen und Lösungsansätze für eine nachhaltige und effiziente Energiezukunft.

Energieforen: Herr Gutschek, die Energiebranche wandelt sich in den letzten Jahren extrem stark. Wo sehen Sie die größten Umbrüche bzw. Herausforderungen für die Stadtwerke Duisburg?

Andreas Gutschek: Die Energiewirtschaft befindet sich tatsächlich in einer Phase von großen Umbrüchen und die Herausforderungen sind vielfältig. Auf der einen Seite begleiten viele Stadtwerke gerade das Thema kommunale Wärmeplanung und es geht noch viel weiter – es läuft auf Investitionsentscheidungen bei volatilen Förderrahmenbedingungen hinaus.

Auf der anderen Seite geht es im Kern darum, die Menschen in einem sich stark wandelnden Umfeld mitzunehmen. Wir haben für uns festgestellt, dass sich Berufsbilder deutlich schneller verändern und von daher auch ein dauerhafter Change-Prozess bei den Berufsbildern sowie den Aufgaben eintritt. KI bzw. AI ist ein Baustein, welcher das ganze Thema noch einmal zusätzlich beschleunigt. Dabei gilt es auf die Fragen, wie wir die Menschen begleiten und dazu befähigen mit neuen Themen zu arbeiten, Antworten zu finden und gleichzeitig wirtschaftlich zu agieren.

Energieforen: Sie sprachen eben von der kommunalen Wärmewende – Wie weit sind die Planungen in Duisburg vorangeschritten, wann starten die ersten Umsetzungen und welche Rolle werden sie als Stadtwerke einnehmen?

Andreas Gutschek: Die Wärmewende ist ja nicht erst durch die gesetzliche Vorgabe einer kommunalen Wärmeplanung notwendig geworden. Wir als Stadtwerk in Duisburg haben den ersten Schritt schon 2018 gemacht, indem wir unser letztes Kohlekraftwerk stillgelegt haben und aus der Kohleverstromung ausgestiegen sind. Für uns hat die Wärmewende zwei Komponenten: Zum einen das bestehende Erzeugungsportfolio komplett CO2-frei zu machen sowie den Ausbau der Fernwärme weiterzuführen. Dazu treiben wir dezentrale Lösungen voran. Das können Möglichkeiten aus Tiefengeothermie, Umweltwärme oder Abwärme aus Rechenzentren sein. Für uns ist es eine spannende Aufgabe, denn wir können deutlich flexibler sein und ein breiteres Portfolio vorweisen.

Energieforen: Wie schätzen Sie die aktuelle Situation in der Branche ein. Gilt es vielleicht auch hier stärker zu kooperieren? Unterstützen beispielsweise die Stadtwerke Duisburg auch andere Stadtwerke auf ihrem Weg?

Andreas Gutschek: Kooperationsfelder innerhalb der Branche sehe ich definitiv in der Methodik und dem fachlichen Austausch. Innerhalb der Umsetzung der Wärmewende geht es vor allem darum, regionale Partnerschaften zu stärken. Ich glaube, Kooperationen sollten dort neben  anderen Stadtwerken/Energieversorgern bei städteübergreifenden Fernwärmenetzen, auch im regionalen Umfeld entstehen.

Wir selbst unterstützen einerseits bei der kommunalen Wärmeplanung, indem wir den fachlichen Teil für die Stadt begleiten. Die Bürgerbeteiligung wird federführend durch die Kommune organisiert. Diesen fachlichen Teil wollen wir skalieren, bspw. in Form der IT-Systeme, damit sie auch adaptierbar sind. Weiterhin können wir Hilfestellungen bei Rahmenbedingungen und Ansätzen geben, um andere, die vielleicht erst am Anfang stehen, zu unterstützen.

Energieforen: Lange Zeit war es so, dass der Netzbereich teilweise die Basis des Geschäftserfolges ausgemacht hat. Der Commodity- bzw. der Energielieferanten-Bereich hat für den wirtschaftlichen Erfolg gesorgt. Im Geschäftskundenbereich sehen wir schon seit einem Jahrzehnt im Commodity-Segment geringe Margen. Im Privatkundenbereich steigt der Druck durch volatile Preise, Substitution durch u.a. PV und Wettbewerber. Sehen wir also eine Umkehr im Geschäftsmodell, hin zu einem assetbasierten Geschäftsmodell aus Wärme und (Energie)-Dienstleistungen?

Andreas Gutschek: Diese Auffassung teile ich mit Ihnen. Das Stadtwerk ist ein verlässlicher Partner, gerade für die Industrie, Geschäftskunden, Wohnungswirtschaft und Kommunen. Man schreibt dem Stadtwerk assetbasierte Dienstleistungen (Wärmeversorgung, Wärmepumpe, PV etc.) zu und hält es darüber hinaus fähig für Dienstleistungen, wie Batteriespeicher, Abrechnung, Betrieb usw. Doch die Commodities werden noch lange ein Bestandteil des Kern-Geschäftsmodells bleiben.

Die assetbasierten Geschäftsmodelle haben jedoch das Potenzial, das tragende Geschäftsmodell der Zukunft zu sein. Gerade im regionalen Bereich, was aber die Herausforderung mit sich bringt, das Kapital dafür aufzuwenden. Dabei ist anzumerken, dass Themen wie Glasfaserversorgung und IT-Komponenten sicherlich für manche ein wichtiger Baustein sind. Dies bieten wir in Duisburg bereits mit an.

Energieforen: Somit werden die technischen Felder und der infrastrukturelle Bereich an Bedeutung im Stadtwerk gewinnen?

Andreas Gutschek: Ja, ähnlich wie im produzierenden Gewerbe und der Automobilbranche, bin ich davon überzeugt. Der Vertrieb kann nur das verkaufen, was auch produziert werden kann. Dienstleistungen, die infrastrukturbasiert sind, müssen natürlich umgesetzt werden. Deswegen vergleiche ich das gern mit der Automobilindustrie. Der Verkäufer im Store kann das Auto nur dann verkaufen, wenn man in der Lage ist ungefähr zu prognostizieren, wann das Fahrzeug vom Band läuft. Und so ähnlich ist es bei uns gestaltet: Die technischen Bereiche müssen die Prognose abgeben, wieviel sie in der Lage sind, zu welcher Zeit herzustellen. Und umgekehrt daraufhin vertriebliche Aktivitäten entsprechend zu planen. Dies ist schon eine deutlich stringentere Ausrichtung nach den Wertschöpfungsstufen, beginnend vom Energiehandel, dem Vertrieb sowie über weitergehende Dienstleistungen.

Energieforen: Wie schaffen es die Stadtwerke Duisburg, die verschiedenen Angebote aus einer Hand anzubieten?

Andreas Gutschek: Wir haben einen sogenannten Lösungsvertrieb etabliert. Wir liefern Lösungen aus einer Hand und nicht wie in der Vergangenheit vielleicht nur Strom oder Gas. Die Herausforderung war die Veränderung der Prozesse. Während früher jeder Fachbereich selbst vertrieblich aktiv war, machen wir das jetzt unter einer Marke.

Energieforen: Generative AI wird von einigen Experten als die größte Veränderung seit dem Buchdruck bezeichnet. Wie wird es die Organisation und das Arbeiten verändern und in welchen Unternehmensbereichen (außer der Kommunikation) gibt es das größte Potenzial für den Einsatz von GenAI?

Andreas Gutschek: Für mich ist der wesentliche Kern, dass Informationen viel schneller verfügbar sind, als es jetzt eine Suchmaschine überhaupt möglich macht. Die Tatsache direkt ein Ergebnis zu erhalten, ist ein zentraler Vorteil. Es gilt, sich immer die Frage zu stellen, was kommt eigentlich dabei raus? Wir haben Möglichkeiten, Dinge zu produzieren, herzustellen, abzuleiten, Angebote zu schreiben, Antworten zu geben, Service-Dienstleistungen und Kontakte zu haben – dies alles wird in einer neuen Geschwindigkeit und Effizienz passieren. Aber dennoch ist es wichtig, dass die Menschen, die damit arbeiten ihren geistigen Blick bewahren, um das System deutlich besser zu machen. Es ist notwendig, einen gewissen menschlichen Standpunkt nicht zu verlieren.

Energieforen: Sie sagten zu Beginn, dass sich Berufsbilder verändern werden. Was meinen Sie damit und wie gehen Sie damit um, dass es genau diese Veränderungen geben wird?

Andreas Gutschek: Ich glaube, es wird Berufsbilder verändern, gerade da, wo die Menschen kaum vermuten, dass sie veränderbar sind. Ein Beispiel ist für mich die Planung von Leitungen. So sehe ich, dass KI-Systeme völlig automatisiert Leitungen planen können oder zumindest den bestmöglichen Vorschlag liefern, damit wir die Energiewende mit Infrastrukturmaßnahmen überhaupt bewältigen können. KI ist einfach notwendig, um die Geschwindigkeit, die die Gesellschaft berechtigterweise fordert irgendwie in die Umsetzung zu bringen. Noch ein weiteres ergänzendes Beispiel: Die Überprüfung der ganzen Abrechnungsprozesse bei variablen Tarifen nach Korrektheit. Ob das dann eine KI oder ein sehr geschickter Algorithmus ist, wird dann vermutlich zweitranig. Wir brauchen bei den Datenmengen (z.B. aus Smart Metern) und den Transparenzanforderungen der Kundinnen und Kunden schlichtweg schnelle sowie richtige Informationen.

Energieforen: Eine letzte Frage in eigener Sache: Welchen Rolle nehmen die Energieforen für Sie als Stadtwerke Duisburg ein?

Andreas Gutschek: Die Energieforen schaffen mit verschiedenen Veranstaltungen in unterschiedlichsten Bereichen eine wichtige, unabhängige Plattform. Neben dem Netzwerk ist aber auch die Fachberatung, die wir häufiger als Dienstleistung in Anspruch genommen haben oder auch nehmen, eine gute Basis, um das Wissen nah an der Energiewende und der Energiewirtschaft zu halten sowie sich gegenseitig weiterzubilden.

Vielen Dank für das Gespräch!