Psychologie to go: Der Halo-Effekt – Warum die Hübschen häufig auch die Kompetenten „sind“
In diesem Artikel erfahren Sie, wie der Halo-Effekt entsteht, welche Auswirkungen er auf unsere Wahrnehmung hat und wie Sie ihm aktiv entgegenwirken können.
In den letzten Beiträgen unserer Reihe haben wir uns intensiv mit den Mechanismen beschäftigt, welche unser Denken und Handeln beeinflussen, oft ohne, dass wir es bemerken. Von der Kraft unbewusster Entscheidungen (System 1 und 2) über den Confirmation Bias bis hin zur Motivation und Selbstwirksamkeit haben wir gesehen, wie leicht uns das Gehirn auf das Glatteis führen kann. Heute widmen wir uns einem weiteren faszinierenden Phänomen: dem Halo-Effekt.
Ein verzerrendes Licht über allem – Der Halo-Effekt
Der Halo-Effekt beschreibt die Tendenz, dass ein besonders auffälliges (salientes) Merkmal einer Person oder eines Objekts – etwa Attraktivität oder Freundlichkeit – auf das gesamte Bild dieser Person oder Sache übertragen wird. Wir Menschen neigen dazu, aufgrund eines leicht wahrnehmbaren positiven Merkmals auch andere komplexere Eigenschaften als positiv wahrzunehmen, wie Intelligenz oder Kompetenz – sozusagen ein "Heiligenschein" (Halo), der alles in einem bestimmten Licht erscheinen lässt.
Das Tückische daran: Dieser Effekt läuft nicht nur unbewusst und automatisch über das schnelle intuitive „System 1“ ab, sondern unser Gehirn greift dabei auch auf einfache, verlässliche Muster zurück und zieht voreilige Schlüsse, ohne dass das langsame analytische „System 2“ eingreift (Kahnemann, 2012). Eigenschaften, die eigentlich nichts miteinander zu tun haben, vermischen sich durch diesen Effekt zu einem einheitlichen Eindruck. So kann eine freundliche Ausstrahlung oder Attraktivität unbemerkt dazu führen, dass wir einer Person unverdientermaßen auch Kompetenz oder Intelligenz zuschreiben – allein aufgrund dieses ersten Eindrucks.
Von Personalentscheidungen bis zur Werbung – Der Halo-Effekt strahlt überall
Der Halo-Effekt ist allgegenwärtig: Bei Bewerbungsgesprächen, in der Werbung, bei der Beurteilung von Produkten, Firmen und sogar in der Politik. Eine sympathische Ausstrahlung reicht oft aus, um eine Person als „kompetent“ zu sehen, obwohl wir keine objektiven Hinweise dafür haben. In der Arbeitswelt kann der Halo-Effekt dazu führen, dass wir Kandidatinnen oder Kandidaten bevorzugen, die uns sofort sympathisch erscheinen, statt die objektiven Fähigkeiten zu bewerten. Unternehmen können aufgrund nur weniger, einfach zu messender Kennzahlen und einer hohen Bekanntheit als markt- oder branchenführend eingeschätzt werden, obwohl es hinter der Fassade schon längst bröckelt.
Diese voreiligen Urteile können allerdings gefährlich werden. Ein hervorragender Controller sollte in erster Linie kompetent sein und nicht unbedingt sympathisch (auch wenn das wünschenswert wäre). Ebenso sollte ein Unternehmen, in welches man investieren will, nicht nur ein Quartal gut wirtschaften, sondern bestmöglich über Jahre hinweg.
Dieser Effekt ist auch nicht uninteressant für Unternehmen, welche nach neuen Mitarbeitenden suchen. Baut sich ein Unternehmen eine Arbeitgebermarke auf, welche nach außen hin glänzt, finden sich schnell neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Doch bemerken diese nach Stellenantritt, dass mehr Schein als Sein hinter der Arbeitgebermarke steckt, sind diese neuen Talente auch schnell wieder weg. Schlimmer noch, diese werden von ihren negativen Erfahrungen im Bekannten- und Freundeskreis berichten und es wird noch schwerer neue Mitarbeitende für sich zu gewinnen. Diese Tatsache unterstreicht auch noch einmal die Relevanz von authentischen Arbeitgebermarken!
Eine Sonnenbrille bitte – Wie wir dem Halo-Effekt entgegenwirken können
Am leichtesten wäre es natürlich, diese leicht wahrnehmbaren Merkmale (Attraktivität, Geschlecht etc.), die uns nur allzu leicht beeinflussen, einfach auszublenden. Es gibt bspw. Orchester, welche Musiker hinter einer Leinwand vorspielen lassen, um sich vom Äußeren nicht beeinflussen zu lassen. Bei Bewerbungsverfahren kann man das Steriotyping (Sonderform des Halo-Effektes) verhindern, indem man Bewerbungsunterlagen anonymisiert.
Wir sind uns aber auch einig, dass dies nicht in jeder Situation umsetzbar ist. Nachfolgend einige Strategien, um den Effekt zu minimieren:
- Reflexion und Distanz: Nehmen Sie sich nach dem ersten Eindruck bewusst eine kurze „Reflexionspause“. Fragen Sie sich: Beurteile ich gerade die gesamte Person auf Basis eines einzigen Merkmals?
- Objektive Kriterien verwenden: Erstellen Sie Checklisten oder Bewertungsskalen, welche auf klaren Kriterien basieren. Gerade im beruflichen Kontext kann dies helfen, subjektive Eindrücke zu minimieren und faire Entscheidungen zu treffen – vor allem in Bewerbungsgesprächen.
- Perspektivwechsel fördern: Bitten Sie andere Personen um ihre Einschätzung. Durch einen Perspektivwechsel können Sie blinde Flecken reduzieren und eine ausgewogenere Meinung bilden.
Fazit und kleiner Ausblick
Der Halo-Effekt ist eine faszinierende und allgegenwärtige Verzerrung, die uns im Alltag ständig begleitet. Wenn wir lernen, den ersten Eindruck kritisch zu hinterfragen, können wir objektivere Entscheidungen treffen und vermeiden, dass unser Urteil von oberflächlichen Merkmalen beeinflusst wird.
In der nächsten Ausgabe unserer Reihe „Psychologie to go“ werfen wir einen Blick darauf, wie wir bewusst mit Selbst- und Fremdwahrnehmung arbeiten können, um uns weiterzuentwickeln. Ein weiterer spannender Weg, unser Verständnis für uns selbst und andere zu schärfen.
Quellen zum Weiterlesen:
Kahnemann, D. (2012). Schnelles Denken, langsames Denken (T. Schmidt, Übers.; 12. Auflage). Sieler Verlag, Verlagsgruppe Random House GmbH.
Dobelli, R. (2014). Die Kunst des klaren Denkens. Piper Verlag GmbH.