Kundenbindung 2.0: Ohne Preiskampf zum Erfolg

Die Energiepreiskrise führte zu einer wachsenden Preisschere zwischen regionalen Energieversorgern, die das Wechselverhalten der Kundinnen und Kunden maßgeblich beeinflusst. Entscheidende Maßnahmen und Methoden, um die Kundenbindung zu stärken, werden in diesem Artikel aufgegriffen.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Marketing und Vertrieb
Themen:
Kundenbindung Energiepreise Kundenmanagement Daten
Kundenbindung 2.0: Ohne Preiskampf zum Erfolg

Während der Energiepreiskrise waren die Stadtwerke und regionalen Versorger der Fels in der Brandung für die Kundinnen und Kunden. Sie nahmen diejenigen auf,  deren bisheriger Lieferant ihnen gekündigt hatte und sorgten gleichzeitig dafür, dass sie nicht die volle Wucht der Preisausschläge zu spüren bekamen.  Das hatte die Kundschaft vor allem der langfristigen Einkaufsstrategie dieser Versorger zu verdanken.
Diese vorausschauende Einkaufspolitik führt nun aber dazu, dass die Preisschere zu den Discountern, aber auch zu den großen Versorgern immer größer wird. Denn während etablierte regionale Versorger weiter langfristig eingekauft haben 
und das zu teilweise deutlich höheren Preisen als heute  bedienen sich die vorher abgetauchten Billiganbieter wieder den deutlich gesunkenen Spotmarktpreisen.

Der Faktor Preis wiegt bei den Kundinnen und Kunden daher bei der Auswahl des Energieanbieters aktuell schwerer, als er das noch vor der Energiepreisbremse getan hatte. Das zeigt sich im deutlich erhöhten Wechselverhalten des letzten halben Jahres. Durch einen Anbieterwechsel lassen sich aktuell Beiträge sparen. Dies kann zum Beispiel eine Familie dazu verleiten, viel eher nur nach dem Preis zu gehen als bisher, auch wenn die Verbundenheit zur eigenen Stadt und zum lokalen Stadtwerk in der Vergangenheit bisher immer sehr stark war.

In den Preiskampf zu gehen, kann keine Lösung sein, da man nie wirtschaftlich mit den besten Angeboten konkurrieren kann. Es zeigt sich, dass die bisherige Kundenbindung an ihre Grenzen kommt. Weshalb sie noch intensiver als bisher bedacht werden muss. Dazu eignen sich folgende Schritte:

1. Die Kundinnen und Kunden (neu) in den Blick nehmen und die Bedürfnisse erfassen

Vor der Energiepreiskrise hatte sich kaum ein Mensch tiefergehend mit dem Thema Energie auseinandergesetzt bzw. konnte etwas mit dem Begriff kWh anfangen. Mittlerweile hat sich dieses Bild fundamental gewandelt. Das Thema Energie beschäftigt alle und hat sich mittlerweile auch auf neue Gebiete wie die Energiedienstleistungen ausgeweitet, was wiederum eine Erweiterung des Produktportfolios mit sich bringt. Daher ist es nicht hilfreich sich nach Kundenanalysen von vor 3 Jahren auszurichten. Denn man  sollte genau jetzt einen neuen Blick auf seine (potenziellen) Kundinnen und Kunden werfen, da sich deren Bedürfnisse stark gewandelt haben. Nur so lassen sich Rückschlüsse auf Kundenwünsche ziehen. Ein Weg dafür können qualitative (u.a. Fokusgruppenbefragung oder Tiefeninterviews) und quantitative (u.a. über digitale Fragebögen) Umfragen sein, um so die Gedankenwelt der Kundinnen und Kunden zu erfassen. Aus diesen Ergebnissen können dann beispielsweise neue Personae erstellt werden, welche die unterschiedlichen Zielgruppen darstellen. Daraus lässt sich dann u.a. ableiten, welche Kundenwünsche von welcher Kundengruppe in  Bezug auf neue und bereits etablierte  Produkte und Services bestehen.

2. Customer Experience auf ein neues Level bringen

Wenn eine Person nur wegen des Preises wechselt, dann ist der Einfluss eines regionalen Versorgers darauf sehr begrenzt. Wechselt sie aber aufgrund eines schlechten Erlebnisses (z. B. fehlerhafte  oder unzureichende Informationen bei einer Serviceanfrage), dann muss man sich das als Versorger klar auf die eigene Fahne schreiben. Um diesem Fall vorzubeugen, sollte man das Kundenerlebnis in den Fokus stellen. Denn die  Kundschaft möchte es einfach und unkompliziert. Bestenfalls sollte alles digital möglich sein und gleichzeitig Mehrwerte bieten. Dass aufgrund von Budget- und Ressourcenknappheit nicht alle Kundenwünsche erfüllt werden können ist natürlich klar. Aber das, was man anpackt, sollte Hand und Fuß haben und vor allem aus Kundensicht gedacht werden. Als Methode hat sich hier die Customer Journey als die zielführendste herauskristallisiert. Hier geht es darum, in den vielen Phasen der Kundenbeziehung eines Energieversorgers die Kontaktkanäle zu analysieren und die Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden herauszuarbeiten. Diese müssen dann im zweiten Schritt mit der Perspektive der Mitarbeitenden und im dritten Schritt mit den vorhandenen Systemen in Einklang gebracht werden. Nur durch diese ganzheitliche Betrachtung unter der Einbeziehung von End-to-End-Prozessen können dauerhaft positive Kundenerlebnisse entstehen. Diese machen nicht nur die Kundinnen und Kunden glücklich, sondern haben noch den schönen Effekt, der gleichzeitigen Verringerung der internen Prozesskosten. Die Optimierung der Customer Experience ist sowohl in Kundenrichtung als auch in der internen Sicht so elementar, da die Prozesse, mit denen sich  Energieversorger befassen  - wie z. B.  die neu hinzugekommenen Energiedienstleistungen- immer komplexer und vielfältiger werden.

3. Mit Datenanalyse und personalisierten Angeboten die Wettbewerbsfähigkeit stärken

Wie gehe ich als Versorger nun aber auf meine Kundinnen und Kunden ein, wie soll ich mit ihnen interagieren? Wer benötigt welche Ansprache, wem sollte ich welches Angebot machen? Aufgrund der schieren Kundengröße lassen sich für Energieversorger keine komplett individualisierten Lösungen für deren Kundschaft finden. Ganz nah dran ist man aber mit der Segmentierung von Kunden und der Nutzung von Scores. Es empfiehlt sich zur Einordnung der eigenen Kundinnen und Kunden zuerst einen Kundenwert einzuführen. Dieser bewertet sie nach Kundenqualität sowie Kundenertrag und clustert in entsprechende Gruppen. Dadurch kann man schnell erfassen, welche Personen besonders werthaltig sind und sich für diese in seiner Kommunikation speziell einsetzen. Richtig spannend wird es aber erst, wenn man diesen Wert mit einem Score kreuzt. So können zum Beispiel über einen Algorithmus, der Vergangenheitsdaten analysiert, die Eintrittswahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse vorausgesagt werden. Zuallererst bietet sich der Churn-Score an, der aufzeigt, welche Kunden als treu einzuordnen sind und welche möglicherweise kurz davorstehen, sich einen neuen Energieversorger zu suchen. Wenn man bei zweiter Gruppe noch feststellt, dass diese besonders werthaltig sind, hat man die Gruppe identifiziert, die dringend mit einem passenden Angebot angesprochen werden sollte, um die aktive Kundenbindung zu halten. Es gibt darüber hinaus noch weitere Scores, die helfen die eigene Kundschaft zu verstehen und zielgenau auf diese zu reagieren. So unter anderem den Forderungsausfall-Score oder die Produkt-Scores. Letztere zeigen auf, welche Kundinnen und Kunden mit einer hohen Erfolgswahrscheinlichkeit mit weiteren Angeboten aus dem Portfolio des Energieversorgers bedacht werden können. Ein großer Vorteil dieser Datenanalyse ist das stetige Mitwachsen der Daten. Es wird nicht nur der Status quo erhoben, sondern die Vergangenheitsdaten führen immer wieder zur Aktualisierung der aktuellen Datenlage und damit auch immer zu einer Anpassung der Ergebnisse.

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