Sabbatical: Win-win-Situation für Unternehmen und Mitarbeitende?
Tobias Frevel, Geschäftsführer der Energieforen, fasst seine persönlichen Erfahrungen aus einem sechsmonatigen Sabbatical zusammen und räumt zweifelhafte Denkweisen aus dem Weg.
Ist es der richtige Zeitpunkt für eine Auszeit? Was passiert, wenn der Mitarbeitende auch noch der Unternehmer ist?
Dies sind nur zwei von vielen Fragen, die mir vor mehr als 20 Monaten durch den Kopf gingen. Ich entschied mich dennoch aus voller Überzeugung für ein sechsmonatiges Sabbatical, in dem meine Frau und ich einmal um den Globus reisten.
Wieso ein Sabbatical?
Die Gründe und Motivationen für eine berufliche Auszeit sind äußerst vielfältig. Für mich als Person und Unternehmer könnten diese teilweise nicht weiter auseinander liegen. Die vergangenen dreizehn Jahre des intensiven Aufbaus von Unternehmen und der Entwicklung von Ideen im „ständig Vollgas“-Modus hinterlassen auch beim stärksten Akku ihre Spuren. Irgendwann kann sich der Akku selbst im üblichen Urlaubszyklus nicht mehr vollständig aufladen. Warum entschied ich mich genau an diesem Punkt für eine Auszeit? Schließlich bleibt nach der beruflichen Karriere doch noch genug Zeit dafür, oder nicht? Gesundheit und Fitness sind keineswegs selbstverständlich, daher sollte die Gelegenheit, die Welt zu bereisen oder während der Auszeit andere Unternehmungen anzugehen, nicht auf die lange Bank geschoben werden. Schließlich bleibt die Frage: Wird man im „Rentenalter“ noch in der Lage sein, 3.000er Vulkane am anderen Ende der Welt zu besteigen?
Wie schwer wird es einem fallen, sich auf die wesentlichen Dinge des Lebens zu konzentrieren und mit wirklich einfachen Umständen zufrieden zu sein? Als Unternehmer war es immer mein Ziel, eine Organisation zu entwickeln, die durch sich selbst getragen wird und nicht in kompletter Abhängigkeit des Gründers steht. Wenn das Unternehmen ein attraktiver Arbeitgeber sein möchte, dann kann es sich nicht nur einer modernen Kultur verordnen, sondern muss diese auch (vor-)leben. Dies gilt besonders für die Führungskräfte. Die Abwesenheit des Unternehmers bietet Chancen für Wachstum – sowohl für die Organisation als auch für die einzelnen Persönlichkeiten darin.
Meine Antwort auf mögliche Risiken: Gute Vorbereitung ist alles!
Es ist notwendig, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, Schlüsselpositionen mit hoher Spezialisierung oder Verantwortung für einen längeren Zeitraum unbesetzt zu lassen. Dies erfordert eine umfassende Vorbereitungszeit und sorgfältige Planung. Mit einem entsprechenden Konzept lässt sich das Risiko einer eventuellen Überforderung von Mitarbeitenden, die währenddessen operative Aufgaben übernehmen, weitgehend minimieren.
Wer in ein Sabbatical geht, sollte sich disziplinieren, nicht ständig Updates bekommen zu müssen oder gar geschäftliche E-Mails zu lesen. Wie leicht einem das fällt, hängt stark vom Vertrauen in die Mitarbeitenden und die Organisation ab sowie von der Fähigkeit, bewusst „loszulassen“. Aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass dies der unkomplizierteste Aspekt war, da die Menschen innerhalb der Energieforen ihre Aufgaben mit Freude und Leidenschaft erfüllen. Auf der anderen Seite braucht es klare Spielregeln, wann das „rote Telefon“ zum Einsatz kommt.
Auf Reisen
Während meiner Auszeit konnte ich viele wunderschöne Orte auf der Welt besuchen, was in einigen Jahren vermutlich nicht mehr möglich sein wird – sei es aus Alters- und Fitnessgründen oder wegen des fortschreitenden Klimawandels. Der Reset eines stark beanspruchten Akkus erfordert oft mehrere Monate. Da ich mich in der Zeit u.a. drei Monate gemeinsam mit meiner Frau in Neuseeland aufgehalten habe, war es sehr aufschlussreich zu beobachten, wie sich die „normalen Urlaubenden“ dort verhalten haben. Diejenigen, die mir in Gesprächen verrieten, dass sie bereits „so relaxed und total runtergekommen“ waren, trugen in ihrem Verhalten für mich noch wahrnehmbar den hektischen Alltagsstress mit sich herum.
Unsere Art des Reisens wird definitiv nicht jedermanns Vorstellung von einem Traumurlaub entsprechen – meine liebe Frau eingeschlossen. 😉 Drei Monate in einem umgebauten Minivan zu verbringen und dabei 10.000 km zurückzulegen, bedeuten eine klare Reduktion auf das Wesentliche. Ein kurzer Einblick: Der Minivan hatte keine Rücksitzbank, stattdessen ein Holzbrett, auf dem wir auf einer 5 cm dicken Schaumstoffmatratze schlafen konnten. Es gab kein Badezimmer und zum Kochen konnten wir lediglich auf einen Gaskocher zurückgreifen. Unsere Mahlzeiten bestanden also meistens aus Ein-Topf-Gerichten. Waschen konnten wir uns meistens nur mit kaltem (!) Wasser – aber das härtet ja bekanntlich ab. Diese Art des Reisens hat uns verdeutlicht, wie einfach man glücklich sein kann und wie wichtig es ist, den Blick auf die wesentlichen Dinge im Leben zu richten.
Wieder zurück
Meine Vermutungen und Hoffnungen haben sich nach meiner Rückkehr in den Arbeitsalltag mehr als bestätigt. Als Unternehmer habe ich gesehen, dass sich mein Vertrauen in das Team zu 100% bestätigt hat. Die Energieforen haben auch in meiner Abwesenheit, die Chance zum Wachstum optimal genutzt. Die Organisation als Ganzes hat sich weiterentwickelt und viele der Mitarbeitenden haben die Gelegenheit zur persönlichen Entfaltung ergriffen. Frische Ideen, Inspirationen aus anderen Kulturen und neue Kraft sind meine positiven „Mitbringsel“, die nach dem Sabbatical mit in die Organisation einfließen und somit die Chancen zum weiteren Wachstum nähren. Somit ist das Sabbatical in meinen Augen ein klarer Win-win für die Mitarbeitenden der Energieforen und für mich persönlich.
Basierend auf diesen Erfahrungen möchte ich nicht nur die tollen Mitarbeitenden der Energieforen ermutigen, sondern auch die Führungskräfte und Unternehmensleitenden der Branche dazu anregen, mit gutem Beispiel voranzugehen und diesen Ansatz in der Versorgungwirtschaft zu leben. Dies stellt einen wichtigen Baustein dar – jedoch nur einen von vielen – um dem branchenübergreifenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken und sich als innovativer Arbeitgeber zu etablieren.