Profitabel und nachhaltig: Energie- und Mobilitätswende im Querverbund meistern

Im Interview diskutieren Klaus Eder (Geschäftsführer Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm) und Raphael Noack (Geschäftsführer Energieforen) die großen Herausforderungen des Energiemarkts der Zukunft. Im Mittelpunkt stehen die finanziellen und strategischen Weichen, die jetzt gestellt werden müssen und wie das Stadtwerk der Zukunft profitabel arbeiten kann.

Typ:
Blogartikel
Rubrik:
Strategie und Innovation
Themen:
Energiewende Mobilität Netz Finanzierung
Profitabel und nachhaltig: Energie- und Mobilitätswende im Querverbund meistern

Raphael Noack: Herr Eder, die SWU sind als Querverbundunternehmen von der Energieversorgung über den ÖPNV, Wasser, Elektromobilität bis hin zum Glasfaser-Ausbau sehr breit aufgestellt. In fast all diesen Branchen haben wir in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren sehr große Umbrüche erlebt. Wo liegen für Sie als SWU die größten Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt?

Klaus Eder: Wir haben mehrere große Themen. Wir sind diejenigen, die die Energie- und Mobilitätswende hier in unserer Region umsetzen dürfen. Auch nach 170 Jahren, so lange gibt es uns in der Daseinsvorsorge, ist es unser Ziel, die Region und die Städte Ulm/ Neu-Ulm so fit zu machen, dass hier auch für die kommenden Jahrzehnte eine lebenswerte Region für die Bürgerinnen und Bürger erhalten bleibt. Das ist nicht nur eine großartige, sondern auch eine große Aufgabe. Bei der Energiewende geht es um riesige Investitionen in die Infrastruktur. Wir brauchen eine Idee, wie wir den Umbau der Stromnetze finanzieren und mit Menschen sowie Material umsetzen können. Wir brauchen Lösungen, wie wir Erzeugungsanlagen für erneuerbare Energien, Stromspeicher oder andere Dinge, die wir heute noch gar nicht kennen, realisieren können. Auf der anderen Seite möchten wir mehr Menschen für den ÖPNV begeistern und müssen dafür die Angebote ausbauen. Die größten Investitionen liegen bei uns in den nächsten fünf Jahren im Nahverkehrsbereich für Busse, Straßenbahnen und die dazugehörige Infrastruktur. Der dritte Baustein ist die Digitalisierung. Wir sind gerade dabei, ein Rechenzentrum für einen „kleinen“ zweistelligen Millionenbetrag zu bauen, das jetzt in Betrieb geht. Unser Plan ist der flächendeckende Glasfaserausbau in Ulm und Neu-Ulm, um die Daseinsvorsorge der Zukunft zu sichern. Für die Umsetzung benötigen wir qualifiziertes Personal, eine gute Finanzierung und Material.

Raphael Noack: Sie sprachen von Ideen, die wir für die einzelnen Themen brauchen, sei es für das Thema Wärmeversorgung, aber auch für den Umbau der Netze. Welche Ansätze schweben Ihnen vor bzw. an welchen Ideen arbeiten Sie vielleicht schon ganz konkret?

Klaus Eder: Wir brauchen zum Beispiel eine Abwägung, ich sage mal ganz klassisch, zwischen Kupfer und Intelligenz in den Stromnetzen. Wenn wir nur versuchen würden, in den nächsten zehn Jahren die stärkste Viertelstunde in unserem Netz mit Leitungsbau zu bewältigen, müssten wir rund 350 Millionen Euro investieren. Wenn es uns gelingt, diese Lastspitzen zwischen Erzeugung und Verbrauch so auszugleichen, dass wir uns die letzten 5 % an Leitungsbau oder Leistung einsparen können, dann sparen wir rund 30 % der Investitionen in dieses Stromnetz ein. Dafür braucht es gute Konzepte, Methoden und Modelle.

Raphael Noack: Wie intelligent ist denn Ihr Netz?

Klaus Eder: Wir bekommen zunehmend mehr Werte aus den Netzen heraus. Dennoch brauchen wir viel mehr Messwerte und Ist-Zustände, um mit entsprechenden Handlungen und Programmen, vielleicht auch mit KI reagieren zu können, um die Netze so zu steuern, dass wir Verbraucher zu- oder abschalten können. Hier kommt zum Beispiel unser Mehrspartenunternehmen ins Spiel. Wir werden bis etwa Ende 2028 rund 60 vollelektrische Linienbusse (Gelenkzüge) haben. Diese wollen wir genau dann laden, wenn die Netze die Leistung zur Verfügung stellen können und der Strompreis an der Börse aufgrund der vielen erneuerbaren Energien günstig ist. Da ist es wichtig, dass wir Konzepte entwickeln, wann die Busse geladen werden können. Uns beschäftigen vor allem diese Fragen: Wann sind die Busse im Depot? Kriegen wir die Busse Samstag- und Sonntagmittag, wenn der Strom günstig ist, wirklich alle ans Netz? Wie kriegen wir die Busse Montagmorgen zu den Schulspitzen geladen aus den Depots? Das hat was mit dem Stromnetz, dem Strommarkt und der Dienst- und Fahrplanung zu tun. Um Antworten zu finden, benötigen wir viel IT-Kompetenz und Ideenentwicklung.

Raphael Noack: Sie haben vorhin die Investitionen angesprochen, die sicherlich auch  in der Wasserwirtschaft einen großen Kostenpunkt darstellen. Wägt man in diesem Fall eher zeitlich ab oder muss man schon strategisch entscheiden, was man als Unternehmen überhaupt leisten kann?

Klaus Eder: Wenn wir zusammenzählen, was wir brauchen für die Energie- und Mobilitätswende in Ulm und Neu-Ulm, dann könnten wir gut eine Milliarde Euro investieren. Wenn wir das in zehn Jahren vorhätten, müssten wir jedes Jahr 100 Millionen investieren und das übersteigt unseren Investitionsrahmen sowie auch die Innenfinanzierungsfähigkeit des Unternehmens deutlich. Wir benötigen daher eine Finanzierung von außen, über Eigenkapital von Gesellschaftern, Fonds etc. Vielleicht sollten wir uns aber grundsätzlich mehr Zeit als zehn Jahre nehmen, denn bis 2045 vergehen noch ein paar Jahre. Es gibt keinen Grund, dass einzelne Bundesländer sagen, wir möchten bis 2030 oder 2035 fertig sein. Natürlich, wenn es gelingt, umso besser. Wir sollten uns jedoch die Zeit nehmen, das gut zu machen und in die richtigen Dinge zu investieren. Ein kurzes Beispiel: Vor drei Jahren war das Thema Wasserstoff in der Mobilität enorm gehypt und wir haben relativ viel Projektentwicklung zum Thema betrieben. Seit einem halben Jahr sind alle Wasserstoff-Fördertöpfe für Mobilität leer und werden nicht mehr aufgefüllt. Wir haben den Eindruck, dass das Thema von der Bundesregierung so nebenbei abgesagt wurde. So funktioniert es leider nicht, denn wir brauchen Investitionssicherheit und eine Strategie, die mindestens 20, besser 40 Jahre, trägt.

Raphael Noack: Ich persönlich bin der Meinung, dass wir in den letzten Monaten zu wenig darüber sprechen, womit man zukünftig das Geld verdient, um bereitgestellte Mittel auch zurückzuzahlen. Wie sieht denn das Geschäftsmodell von Stadtwerken zukünftig aus? Insbesondere vor dem Hintergrund des Wegfalls der großen Margenbringer Gas, Infrastruktur und Commodity im Zuge des Umbaus der Energiewirtschaft?

Klaus Eder: Es wird weiterhin Commodities geben, aber diese werden sich verändern. Wir werden nicht mehr eine Jahresmenge an Strom an Privat- und Gewerbekunden liefern. Das Ziel besteht darin, die Stromlieferung zu steuern und den besten Tarif für die Kundinnen und Kunden zu finden. Wir machen bereits erste Versuche über sogenannte Logikboxen, mit denen wir einen Mehrwert schaffen und das Vertrauen in die Stadtwerke stärken wollen. Es wird Modelle geben, mit denen wir einfach eine Dienstleistung verkaufen und dafür ein Dienstleistungsentgelt erhalten. Wertschöpfungsketten müssen verlängert werden, da wir auch vor der Herausforderung stehen, dass viele Handwerksbetriebe nicht mehr in der Lage sind, Nachfolge-Lösungen zu finden und Personal bereitzustellen. Auch bei den Themen leitungsgebundene Wärme und Wärmekonzepte glauben wir daran, dass wir mit der Wärmewende Investitionen auslösen, die unter Umständen auch zukünftig rentabel sind, bspw. in die Tiefengeothermie. Das sind zwar hohe Investitionskosten, aber geringe Betriebskosten. Am Schluss bleibt so ein Ergebnis übrig, das wieder in die Refinanzierung und in die Daseinsvorsorge gesteckt werden kann. Der dritte Punkt liegt tatsächlich in den Netzen. Auch die Stromnetze werden wir weiterhin rentierlich betreiben und wir glauben daran, dass wir in den Gasnetzen über 2045 hinaus Wasserstoff transportieren können.

Raphael Noack: Sie haben zu Beginn gesagt, dass es Menschen braucht, die diese Themen umsetzen. Das ist natürlich eine riesige Transformation, die auch in den Köpfen stattfinden muss. Inwieweit hilft Ihnen dabei auch Ihr Leitbild  „SWU 2030“, die Menschen auf einen solchen Weg mitzunehmen?

Klaus Eder: Es hilft uns sehr gut. Wir haben letztes Jahr über 200 Beschäftigte in allen Bereichen und auf allen Ebenen neu einstellen können. Insbesondere junge Leute, die an der Energie- und Mobilitätswende mitwirken wollen. Ganz viele Menschen, die in ihrer Arbeit einen Purpose suchen – so nennt man das heutzutage, habe ich gelernt –, kommen dann zu uns und bleiben auch gern. Wir setzen darüber hinaus stärker auf Impulse von außen. Mittlerweile führen Menschen, die ihre Karrieren in der Industrie begonnen haben, ihren Weg bei uns in einem kommunalen Unternehmen fort.

Raphael Noack: Ich habe noch drei kurze Fragen zum Abschluss. Wenn sie einen Wunsch für die Zukunft haben, wie lautet dieser?

Klaus Eder: Verlässliche politische Rahmenbedingungen für die Energie- und Mobilitätswende, die nachhaltig und konsequent sind und gleichzeitig die Beinfreiheit für Unternehmen bieten, innerhalb dieser Rahmenbedingungen die technisch beste Lösung umzusetzen.

Raphael Noack: Auf welchen Trend freuen Sie sich in Zukunft am meisten, insofern er sich durchsetzt?

Klaus Eder: Auf das Thema Digitalisierung, Automatisierung und KI im Unternehmen. Bei uns wird in den nächsten zehn Jahren ungefähr die Hälfte der Belegschaft in den Ruhestand gehen. Trotz all der Werbung für die Stadtwerke werden wir diese Anzahl an Menschen auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr finden. Ich habe die große Hoffnung, dass KI uns an ganz vielen Stellen so weit voranbringt, dass wir eben nicht mehr diesen hohen Druck in der Personalbeschaffung haben, sondern dann mit weniger, vielleicht anders qualifizierten Leuten unser Geschäft weiterführen können wie bisher.

Raphael Noack: Eine letzte Frage in eigener Sache: Welche Rolle nehmen die Energieforen für Sie als SWU ein?

Klaus Eder: Die Energieforen waren immer wieder unser Sparringspartner bei der Strategie „SWU 2030“ und bei dem Leitbild, was wir gemeinsam entwickelt haben. Es ist immer noch meine Startfolie bei Vorträgen, wenn ich über die Energie- und Mobilitätswende in der Region spreche. Wir haben stets einen guten Austausch und entwickeln uns dank und mit den Energieforen immer wieder weiter.

Raphael Noack: Vielen Dank. Ich freue mich, dass wir uns spätestens bei unserem Energy for Future Leaders Kongress am 25./26. März 2025 persönlich auf dem Podium sehen.